Die Klarissen im Kloster Pfullingen Das Pfullinger Sprechgitter und Celans Sprachgitter
Tatsächlich wurde der Neske-Verlag zu einem der wichtigen Nachkriegsverlage für Philosophie, Kulturwissenschaft und Literatur. Hier erschienen Werke von Martin Heidegger und Beda Allemann, Hans Mayer, Walter Jens und Ernst Bloch, aber auch Jean Arp, André Breton oder Natalie Sarraute – fast hätte es sogar mit Günter Grass’ „Blechtrommel“ geklappt. Und mit Paul Celan.
In der Buchhandlung Gastl, in der sich in diesen Jahren die literarische Szene traf, erlebte Günther Neske Anfang Juni 1957 Paul Celan bei seiner ersten Tübinger Lesung. Wenige Tage später sandte er ihm eine Fotopostkarte: „Das Sprechgitter – aus dem Jahre 1250 – steht in unserem Klostergarten. Sie müssen es bald einmal sehen.“
Außerdem formulierte er seine Freude über Celans Zusage, ihm seine Gedichte anzuvertrauen, er wolle sie sogleich veröffentlichen. Zu einer Zusammenarbeit kam es aber nicht. Paul Celan besuchte Pfullingen später zwei Mal und las für Neskes zweite Langspielplatte „Lyrik der Zeit“ einige Gedichte, darunter die „Todesfuge“. Das Foto mit dem (von innen aufgenommenen) Sprechgitter hatte eine nachhaltige Wirkung auf ihn. Er nannte das Mitte Juni entstandene Gedicht, das dann auch dem gesamten, 1959 bei S. Fischer publizierten Band den Namen gab, „Sprachgitter“ – ein Wort, das er bei seiner Jean-Paul-Lektüre gefunden hatte. Es beginnt mit der Zeile „Augenrund zwischen den Stäben“. Die Stäbe waren auf dem Bild besser zu erkennen als das Lochgitter, sie lassen uns an den Käfig des Panthers in Rilkes Gedicht denken, dem „als ob es tausend Stäbe gäbe/und hinter tausend Stäben keine Welt“.
„Wir sind Fremde“
Das Sprechgitter beeinträchtigte, verhinderte sogar das Sehen und bei den Klarissen auch die Wahrnehmung der Außenwelt. Vice versa konnte auch niemand in das Kloster hineinschauen, den Blick unseres Fotografen auf den Westgiebel der Kirche hat es also einstmals nie gegeben.
Paul Celan schreibt das Gedicht „Sprachgitter“ gleich nach seiner Ankunft in Wien Mitte Juni 1957. Zum ersten Mal ist er wieder in der Stadt, wo Celan eine Liebesbeziehung mit Ingeborg Bachmann verbunden hatte. Nun thematisiert er die Schwierigkeit von Wahrnehmung und Kommunikation, zwischen Liebenden und Zeitgenossen, die eine unterschiedliche historische Erfahrung trennt. Und stellt die Frage, ob ein Gespräch überhaupt möglich ist: „Wir sind Fremde“, heißt es. Und es endet mit den beiden Zeilen „Zwei/Mundvoll Schweigen“. Paul Celan kann immerhin davon sprechen.
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