Keine Tore, viele Verletzte, immer weniger Optionen: Der VfB Stuttgart gibt vor dem Spiel am Samstag gegen Hertha BSC ein trauriges Bild ab. Die große Frage ist: Wie will der Fußball-Bundesligist die Trendwende schaffen?

Sport: Carlos Ubina (cu)

Mönchengladbach - Die Karawane der Lädierten zog davon. Benjamin Pavard schleppte sich zum Mannschaftsbus, ihm folgte humpelnd Andreas Beck, und wenig später quälte sich auch Dennis Aogo durch die Katakomben des Borussia-Parks nach draußen. Die Rückfahrt durch die Nacht stand an, an Bord drei Spieler mit drei weiteren Verletzungen. Oberschenkel, Knie und Wade – das medizinische Bulletin nach der 0:3-Niederlage des VfB Stuttgart in Mönchengladbach fiel umfassend aus: Muskelbündelriss bei Pavard, der wochenlang fehlen wird; ein dickes Knie bei Beck, der zumindest gegen Hertha BSC am Samstag auszufallen droht; muskuläre Probleme bei Aogo, der hofft, bald einsatzfähig zu sein.

 

Das sind keine guten Aussichten für den ohnehin personell gebeutelten VfB vor der anstehenden englischen Woche. Doch gesellt sich zum körperlichen Schmerz einmal mehr der seelische, gegen eine gute Bundesligamannschaft keine wirkliche Siegchance gehabt zu haben. Das ist die bittere Realität aus analytischer Sicht. Aber zu den Besonderheiten des Fußballs gehört, dass eine in vielen Belangen unterlegene Elf dennoch gewinnen kann. Dafür reicht oft ein Tor.

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Mario Gomez hatte die Möglichkeit zur Führung (30.). Er vergab sie, und an dieser Szene lässt sich der Unterschied zwischen dem VfB-Team in der Rückrunde der Vorsaison und der aktuellen Verfassung festmachen: Noch vor wenigen Monaten genügte eine Chance, um mit Glück und Geschick erfolgreich zu sein. Jetzt hinkt der VfB dem Gegner und den Erwartungen hinterher. „Gegen einen solch starken Gegner wie Gladbach muss man effektiv sein“, sagt der Trainer Markus Weinzierl, „das waren wir nicht.“

Eine ebenso einfache wie zutreffende Erklärung für die Stuttgarter Misere. Wobei es gerade für Abstiegskandidaten ein verführerischer Ansatz ist, sich hinterher auf die wenigen Momente zu beschränken, in denen das Spiel einen ganz anderen Verlauf hätte nehmen können. Rein hypothetischer Natur ist jedoch die Annahme, dass der VfB den Platz als Sieger verlassen hätte, wenn er denn nur in Führung gegangen wäre.

Der VfB bricht nach Gegentoren zusammen wie ein Kartenhaus

Unbestritten ist jedoch der Fakt, dass die Stuttgarter nach einem Rückstand nicht mehr in der Lage sind, diesen aufzuholen. Weder körperlich noch mental, wobei das eine mit dem anderen zusammenhängt. „Wir tun uns sehr schwer, Rückschläge wegzustecken“, sagt der Torhüter Ron-Robert Zieler. Dabei genügt ein Moment der Unachtsamkeit, ein Augenblick, der sich mit zunehmendem Druck anbahnt – und nach einem Gegentor bricht das Stuttgarter Kartenhaus, das sich die Weinzierl-Elf durch gemeinschaftliches Verteidigen und taktische Disziplin mühsam aufgebaut hat, in sich zusammen. Diesmal zog Raffael das erste Kärtchen heraus (69.).

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„Wir hatten nach dem 0:1 wenig entgegen zu setzen“, sagt Weinzierl und fühlte sich im Borussia-Park an das 0:3 vor kurzem in Leverkusen erinnert. Auch da zerbröselte die Hoffnung auf einen Punkt mit dem ersten Gegentor. Wohlwollend kann man nun anmerken, dass es der VfB immerhin schafft, 70 Minuten ohne folgenreichen Fehler zu überstehen. Doch die Chroniken der angekündigten Zusammenbrüche in der laufenden Saison führen zu der Frage, wie der VfB überhaupt ein Spiel gewinnen will, wenn die Gegner nicht gerade 1. FC Nürnberg oder FC Augsburg heißen. Eine Nullnummer scheint das höchste der Gefühle.

Als nächstes probieren es die Stuttgarter gegen Hertha BSC, das in der Außenwahrnehmung zwar nicht zu den Topteams zählt, in der Tabelle aber auf Rang sechs liegt. Dem Trainer schwant jedenfalls nichts Gutes. „Ich habe mich einmal mehr darin bestätigt gesehen, dass viele Spiele über die Auswechselbank entschieden werden“, sagt Weinzierl. Sein Kollege Dieter Hecking hatte die Möglichkeit, mit Raffael und Florian Neuhaus neue Impulse nach vorne zu setzen. Die beiden Einwechselspieler brachten den Sieg. Weinzierl musste dagegen notdürftig auf Ausfälle reagieren: Gonzalo Castro und Erik Thommy ersetzten früh die angeschlagenen Aogo und Beck. Bundesligadebütant Leon Dajaku kam für den entkräfteten Anastasios Donis. Bis auf den gelb-rot gesperrten Thommy sind das nun Alternativen für die Begegnung mit den Berlinern.

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„Wir müssen alle Kräfte bündeln“, sagt Weinzierl vor den drei restlichen Hinrundenspielen. Auf Hertha folgen noch der VfL Wolfsburg und Schalke 04. Der Trainer dürfte sich dabei weiter als Mangelverwalter fühlen. Er hofft auf einen Einsatz von Daniel Didavi, eventuell auf Pablo Maffeo oder Holger Badstuber und ganz sicher auf Santiago Ascacibar, der seine Sperre abgesessen hat. Antonis Aidonis und Leon Dajaku ergänzen das Ganze neuerdings mit Talent, da Berkay Özcan verletzt ausfällt. Chadrac Akolo verkörpert dagegen das brach liegende Potenzial. So bietet der Kader, der noch im Sommer reich an Optionen schien, kaum die Möglichkeit, den Fußball spielen zu lassen, den Weinzierl sich vorstellt. Mit personellen Nachjustierungen soll eine Besserung eintreten. Dabei scheint es die Maxime des VfB zu sein, sich in die Winterpause zu retten. Doch ob die vier Wochen ausreichen, um den schwäbischen Patienten genesen zu lassen, ist noch lange nicht sicher.