Über die Krankheit spricht Hans Haug junior nicht. Er nehme sich jetzt öfter Zeit für sich, samstags bleibe die Wäscherei geschlossen. „Die Schwerpunkte haben sich verlagert.“ Der 60-Jährige sitzt im Esszimmer des Elternhauses, einem Altbau von 1860. Im Hof trafen sich früher die Tübinger Frauen, um gemeinsam unter freiem himmel zu waschen. Die Mietwaschküche, 1936 gegründet, war eine Idee seiner Großmutter. Kurz darauf waren die Männer im Krieg. Sein Großvater kam erst spät aus der Gefangenschaft zurück, da hatte Oma den Betrieb schon längst etabliert. Die Wäschereihalle wurde 1960 drangebaut. Sein Vater Hans wollte eigentlich Journalist werden. Stattdessen ließ er sich zum „Wäscherei und Plättermeister“ ausbilden, machte seine Meisterprüfung in Krefeld. „Wofür andere drei Lehrjahre brauchten, schaffte er in einem halben Jahr“, sagt Hans junior. In den 50er Jahren war das Gewerbe noch ein Vollhandwerk. Heute könne eigentlich jeder eine Reinigung aufmachen. „Es muss schnell und billig sein. Auf der Schiene haben wir uns nie bewegt.“ 1995, als es in der chemischen Industrie kriselte, kam Hans Haug als Quereinsteiger in den Betrieb der Eltern. Alicia war gerade geboren. Davor hatte der Chemiker ein paar Jahre in Mexiko gelebt und Leim für die Autoindustrie produziert. Sein Spezialgebiet in der Wäscherei ist die chemische Reinigung. Jeder Fleck wird punktuell behandelt. Je nach Substrat könne das sehr aufwendig sein, sagt Haug junior: „Bevor wir aufgeben, kämpfen wir mindestens drei bis vier Wochen um ein Stück.“ Gibt es böse Flecken? „Ayvar! Eigentlich nicht mehr wegzukriegen.“ Auch schlimm: Kaffee mit Milch und Zucker auf Wolle. Filzstifte. Die Kunden tendieren dazu, erst mal selber eine Weile dran rumzumachen. Das macht es dann nicht gerade leichter. Was zu ihm kommt, sind alles Problemfälle. Einer Braut habe er noch kurz vor dem Hochzeitsfoto einen Fleck am getragenen Kleid entfernt, erzählt er. Und dass viele Menschen eine emotionale Bindung zu ihren Kleidern hätten. Es sei eine Typfrage.

 

Haug junior hat mehr mit Essen am Hut als mit Wäsche

Hans Haug mag Großstädte. Italien. „Ich habe eigentlich mehr mit Essen am Hut als mit Wäsche.“ Selbst wenn er ernst schaut, ist da immer ein Lächeln in seinem Gesicht. Er sieht müde aus. Der Kontakt mit den Leuten bedeute ihm viel, sagt er. „Wir haben viele Stammkunden, die ihre Wäsche bringen.“ Von der einzelnen Serviette bis zur Wäsche ganzer Haushalte. „Es gibt zweierlei Kunden“, sagt Haug. „Die, die Qualität wollen und denen es egal ist, was sie dafür zahlen. Und die, die selbst keine Waschmaschine haben und auch gar nichts mit ihrer Wäsche zu tun haben wollen.“ Unten in der Halle schnaubt die Waschmaschine wie eine Dampflok. Sie ist eine alte Dame, Baujahr 1956. Hans Haug senior hat die Maschine damals für 80 000 Mark gekauft. Er weiß am besten mit ihr umzugehen, kennt sie in- und auswendig, ihre Stärken und Schwächen. Das Thermostat ist kaputt, also schließt er ein externes an. Er sortiert die Wäsche nach Farben, füllt die Kittel und die Hemden in die vier Fächer der Maschine. Das Gerät fasst 70 Kilogramm trockene Wäsche. Im „Anhänger“ drehen sich schon 16 Kilogramm Geschirrtücher. „Was ich steuern muss, ist Erfahrungssache.“ Die gewaschene, klitschnasse Wäsche hebt der Senior in kleine Wagen, die wie Säuglingswagen aussehen, und rollt sie zur Zentrifuge. Auch so ein System, das sich schon jahrzehntelang bewährt. In der großen Trommel wird die Wäsche in Schichten eingelegt. „Man darf sie nicht querlegen, sonst zerreißt sie.“ Dann kommt der Deckel darauf. Er schließt nicht sofort, Haug hilft mit einem Hammer nach. „So, jetzt wird es gleich ein bisschen laut.“