Bedroht von Diesel-Fahrverboten vermeldet München auf einmal deutlich bessere Luftwerte als bisher, verspricht als deutsche Stauhauptstadt aber weiterhin, eine „Verkehrswende“ anzustreben.

München - Brauch’ma nimma. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter ist sich da ganz sicher: Diesel-Fahrverbote seien in Bayerns Landeshauptstadt „weder verhältnismäßig noch notwendig“. Er bezieht sich dabei auf die neuesten Stickoxidmessungen, die der bisher „dreckigsten“ Stadt Deutschlands nun plötzlich eine deutlich bessere Luft bescheinigen. Die alten amtlichen Angaben, welche die baldige Verhängung eines Fahrverbots praktisch unausweichlich machten, „waren offenbar unzutreffend.“ So sagt es SPD-Mann Reiter, der genauso wie die CSU-geführte Landesregierung alle drastischen Diesel-Beschränkungen als Horror für die 1,5-Millionen-Einwohner-Stadt und für ihre Zehntausende Berufspendler ansieht.

 

Warum ist die Luft auf einmal sauberer? Man muss nur g‘scheid messen, sagte man sich in München. Bisher beruhten die schlechten Luftwerte auf lediglich fünf realen Messstationen im ganzen Stadtgebiet. Für den Rest der 511 Kilometer Hauptverkehrsstraßen rechnete Mann diese Werten einfach hoch. Man zählte die Autos auf bestimmten Straßen, bestimmte die Zusammensetzung des Verkehrsflusses (Anteil der Personenwagen, der Lkw, der Busse); schaute sich die Windverhältnisse an und orientierte sich an den Emissionsangaben der Fahrzeughersteller – was bedeutete, dass man in den vergangenen Jahren einen gewissen Korrekturfaktor einrechnen musste.

Auch München hat sein „Neckartor“

Jedenfalls: Die Angaben, dass die Stickstoffdioxidwerte auf 123 Kilometern städtischer Hauptverkehrsstraßen (24 Prozent) jenseits der 40-Mikrogramm-Schwelle lagen, beruhten großenteils auf Mathematik, nicht auf tatsächlicher Messung. Das und die Panik vor einem Fahrverbot hat die Stadt nicht ruhen lassen. Zusätzlich zu den fünf Messstellen, die vom Freistaat Bayern betrieben werden, hat München zu Jahresbeginn 2018 insgesamt 20 eigene Stationen eingerichtet (im laufenden Jahr kommen 20 weitere dazu). Und siehe da: die Instrumente erfüllen ihren Zweck; sie liefern gesundheitlich und politisch angenehmere Werte.

Das heißt: Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft wird lediglich an vier der zwanzig städtischen Messstellen geknackt; hinzu kommen deutliche Überschreitungen bei zwei der fünf Stationen des Freistaats: etwa an der berüchtigten Landshuter Allee (eine Art Münchner „Neckartor“). Was den OB aber noch mehr freut: An lediglich drei Stationen von allen liegt der Stickoxidwert über jenen 50 Mikrogramm, welche die Bundesregierung bei einer Gesetzesänderung womöglich als neuen Grenzwert einsetzt. Und: Die gemessenen Mittelwerte für 2018 liegen praktisch überall niedriger als die hochgerechneten des Jahres zuvor. Wobei auch die vom Freistaat gemessenen Belastungen seit 2015 kontinuierlich zurückgehen – an der Landshuter Allee etwa von 84 auf 66 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Alles scheint also besser zu werden. Reiter folgert mit drohendem Unterton an die rechtlich zuständige Bezirksregierung, die Sache mit den Fahrverboten müsse man nun „gut abwägen“. Alles gut also? Nicht wirklich. Das vielleicht größere, auf jeden Fall ungebremst anschwellende Problem Münchens ist das Wachstum der Stadt und damit der Blechlawine. München ist jetzt schon die „Stauhauptstadt Deutschlands“. Die rot-schwarze Rathausregierung arbeitet an einer „Verkehrswende“. Mit mehr ÖPNV, mehr Radwegen, mehr Elektromobilität (obwohl Stromer keinen Stau kürzer machen), mit einem Abbau von Parkplätzen (bisher ein Tabu für die reiche BMW-Metropole, die vor allem autogerecht sein will). Auf jeden Fall will München seinen 2017 beschlossenen „Masterplan zur Luftreinhaltung“ fortführen. Geht auch nicht anders. Man ist gerichtlich dazu verdonnert.