Davon kann man heute nur noch träumen. Das Bad hat an Attraktivität eingebüßt. Der Wildwasserkanal etwa wird von manchen noch immer als spektakulär, von anderen aber zunehmend als laut empfunden. Die Folge: Im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 kamen nur noch 260 000 Besucher. Hinzu kommt, dass das Bad nach 32 Jahren in einem ziemlich maroden Zustand ist. Die feuchtwarme Luft und das salzige Wasser des Solebeckens haben den Lüftungsanlagen und den Kabelkanälen mächtig zugesetzt. Vieles ist von Rost zerfressen, Brandschutzklappen so korrodiert, dass sie unmöglich noch funktionieren könnten, sagt der Werkleiter Lars Nielsen.
Nach 32 Jahren ist das Bad ziemlich marode
Die verrosteten Lüftungen und Klappen einfach zu ersetzen, sei so einfach nicht, weil die Anlage so zugebaut sei. „Wir müssen das alte Zeug komplett ausbauen“, um die Anlage zu sanieren, sagt Nielsen. Die Kosten werden auf 37,5 Millionen Euro geschätzt. Am 28. April soll der Gemeinderat deshalb nun endgültig entscheiden, ob das Bad saniert und erneuert wird – oder abgerissen.
Neckarsulm ist nicht gerade klamm
Nun ist Neckarsulm, wo es anderthalb mal so viele Arbeitsplätze wie Einwohner gibt, dank großer Betriebe wie Audi oder der Schwarz-Gruppe nicht gerade klamm. Mit 70 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen rechnet das Rathaus in diesem Jahr. Zum Vergleich: Das etwa gleich große Winnenden (Rems-Murr-Kreis), immerhin Sitz der Kärcher-Zentrale, kalkuliert mit gerade mal 17 Millionen Euro.
Die Zeiten waren aber andererseits auch schon mal besser – und das jährliche Defizit des Aquatoll von zwei Millionen Euro drückt zusätzlich, und das nicht erst seit gestern. Schon vor einigen Jahren stand das Aquatoll deshalb zur Disposition. 2018 fasste der Gemeinderat mit 19 zu 6 Stimmen den Grundsatzbeschluss, das Erlebnisbad schrittweise zu sanieren. Die Kosten wurden auf 23 Millionen Euro geschätzt.
OB Hertwig: „Ich halte das für schwer verantwortbar“
Doch dabei blieb es nicht, und das Defizit, so der OB Steffen Hertwig (SPD), bliebe der Stadt „anders als erhofft“ erhalten. „Ich halte das für schwer verantwortbar“, sagt Hertwig, der 2024 eine Wiederwahl vor der Brust hat. „Das kann auch eine finanzstarke Stadt wie Neckarsulm nicht leisten.“
Die Alternativen: Die Stadt reißt das Aquatoll ab, renoviert die beiden Lehrschwimmbecken und das Freibad und verzichtet fortan auf ein Familienbad. Das kostete lediglich neun Millionen Euro an Investitionen plus 1,7 Millionen an Unterhalt. Oder die Stadt baut für 20 Millionen ein neues, deutlich reduziertes Familienbad, das sich vor allem an die Neckarsulmer richtet: Schließlich kommen nur 12 000 der Aquatoll-Besucher auch aus Neckarsulm.
Die Fans sind treu, und sie kämpfen für den Erhalt
Doch das Bad hat treue Fans, und die kämpfen für den Erhalt. Eine Online-Petition für die Sanierung und Attraktivierung hat schon 6351 Unterzeichner bekommen – „weil das Aquatoll zu Neckarsulm gehört wie der Eiffelturm zu Paris“, wie ein Unterzeichner der ersten Stunde schreibt. Heiko Schulz, der die Petition gestartet hat, wirft der Stadt vor, zu lange zu wenig gemacht zu haben. Die Schäden seien nicht binnen kurzem entstanden. „Die Sanierung wäre Pflicht gewesen“, sagt er, „die Attraktivierung Kür.“
Die Debatte ist nicht frei von Emotionen, das macht es nicht leichter. Wer etwa den Chatverlauf bei der im Internet übertragenen Infoveranstaltung der Stadt am Dienstagabend verfolgte, bekam den Eindruck, im Grundgesetz sei gleich nach der Würde des Menschen das Recht auf Arschbombe verankert. So wollte eine Mutter aus Heilbronn wissen, was sie denn künftig an verregneten Wochenenden mit ihren zwölf und 14 Jahre alten Söhnen unternehmen solle.
Ein anderer monierte die Ausgaben für die neue Verbundschule der Stadt. Dieses landesweit einzigartige Projekt bringt eine Gemeinschaftsschule, eine Werkreal- und eine Realschule unter ein Dach. 46,6 Millionen Euro, schrieb er, „für eine Schule!“ – für so was wie Bildung.