Sein Berufsleben lang war Jörg Fröscher an der Theodor-Heuglin-Schule. Nun geht der Schulleiter in den Ruhestand. Bildungspolitik gestaltet er weiterhin mit.

Für die einen ist der Schulleiter sinnbildlich ein rotes Tuch gewesen, für die anderen stand Jörg Fröscher für eine Leuchtturmschule, die landesweit Ansehen genoss. Für die allermeisten aber, die Schüler, war er wohl ein Pädagoge, der in Kindern und Jugendlichen Individuen sah, die er alle gefördert wissen wollte. In den Worten von Schülersprecher Farzad Hosseini und dessen Stellvertreter Dario Calzada klang es bei der Verabschiedung Fröschers in den Ruhestand diese Woche einerseits so: „Er war nicht wirklich streng, aber sein Wort hat Gewicht.“ Andererseits aber auch: „Ich küss’ Ihr Herz.“

 

Der 69-jährige Jörg Fröscher verlässt zum Schuljahresende nach fast 45 Jahren die heutige Gemeinschaftsschule in Hirschlanden. Sein ganzes Berufsleben war Fröscher an dieser Schule, erst als Lehrer, seit 1993 als Konrektor, seit 1999 dann an der Spitze.

Fröscher verstand die Jugendsprache des Schülers bei der Verabschiedung wohl, diesen aus dem Arabischen entlehnten Ausdruck der Wertschätzung. Aber den Jugendlichen in ihren Worten zu antworten wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Die Respektsperson forderte die Distanz, um nahe an den Heranwachsenden dran sein zu können. Mehrfach hatte Fröscher seine Dienstzeit zuletzt verlängert, auch auf Bitten des Oberbürgermeisters. Die Schule war mit dem Umbau von der einstigen Grund- und Hauptschule zur Gemeinschaftsschule zur Großbaustelle geworden. Bei dem Gedanken, just in dieser Zeit einen verlässlichen Ansprechpartner zu verlieren, war selbst dem Oberbürgermeister nicht ganz wohl. Jetzt aber musste Jörg Fröscher gehen, das Beamtenrecht zwingt ihn dazu. „Jetzt ist auch gut so“, sagt er.

Der Nachfolger steht fest, Sascha Theiss aus Fellbach wird kommen. Fröscher selbst wird die Bildungspolitik im Land weiter mitgestalten, in der Lehrerfortbildung, im Rahmen eines Lehrauftrags an der Pädagogischen Hochschule und im Landesschulbeirat, nun eben als von der Ministerin persönlich berufenes Mitglied. Natürlich freut ihn das, weil es ein Ausdruck von Wertschätzung ist. Aber die persönliche Freude darüber, ist nur kurz zu hören, wenn er davon spricht. Schließlich geht es um die Schüler an einer Schule, die ihm immer genug Freiraum ließ. Wäre er sonst so lange geblieben? Vermutlich nicht. „Hier konnte ich meine Vorstellung umsetzen“, sagt Fröscher. Als Beamter hatte er Vorgaben zu erfüllen, aber er konnte den Schülern pädagogisch mitgeben, was ihm wichtig war. Das ging über das hinaus, was sich in Bildungspläne packen, in Noten ausdrücken lässt. Die Teilnahme am landesweiten Modellversuch zu „Schule ohne Noten“ gehörte deshalb ebenso zum Schulleben wie die Förderung der Begegnung von Schule und Wirtschaft.

Schülerfirmen entstanden in Kombination von Unterricht und Kooperation etwa mit dem Laserspezialisten Trumpf. Waren wurden konzipiert, geschaffen und später verkauft. Die Schule wirkte in Gesellschaft und Wirtschaft hinein. Das war in dieser Dimension neu – und brachte Fröscher viel Kritik ein. Die Schüler müssten aufs Leben vorbereitet werden, hielt der Schulleiter dagegen. Das galt auch für die Integration neuer Techniken im Unterricht. Das Tablet zählte dazu, neuerdings ist es der Umgang mit KI. Die Schüler müssten deren Nutzen und Gefahren kennen. „Die Technik ist da, also müssen wir damit umgehen.“

Dass es ihm später gelang, den Gemeinderat davon zu überzeugen, seine Schule grundlegend für die Gemeinschaftsschule umzubauen – und damit für lange Zeit zum teuersten Bauprojekt der Stadt zu machen - war nur Wasser auf die Mühlen derer, die das Innovative der Schule ablehnten. Die Mehrheit aber begleitete den Weg ausgesprochen wohlwollend. Sie wussten, was sie an dem Schulleiter hatten, der vor allem für die regionalen Medien ein gefragter Gesprächspartner bei Bildungsthemen war. Der Gewerkschafter formulierte seine pädagogischen Überzeugungen dort so unmissverständlich wie seine Forderungen im Gemeinderat – oder eben seine Ansagen gegenüber den Schülern. Schulamtsdirektorin Sabine Conrad machte bei der Verabschiedung deutlich, dass Fröscher Schüler wie Lehrer maximal gefordert, dabei aber immer eine Schule geleitet habe, die in die Zukunft gerichtet gewesen sei. Schule müsse sich noch stärker in die Gesellschaft hinein öffnen, die Gesellschaft aber auch für die Schule, macht Fröscher deutlich. „Wir brauchen multiprofessionelle Teams“ fordert er für die Schulen.

Als geschäftsführender Schulleiter in Ditzingen war er jüngeren Kollegen ein Ratgeber. In der Bildungspolitik brachte er seine Vorstellungen von Gemeinschaftsschule ein. Dass es nicht gelang, die gymnasiale Oberstufe in Hirschlanden zu etablieren, bedauert er. Dass er Schüler – mit und ohne Behinderungen – aus Kapazitätsgründen für das neue Schuljahr an andere Schulen verweisen muss, ist für ihn schwierig zu akzeptieren. Aber er weiß auch, dass das für die Schulgemeinschaft spricht, die auf dem Campus am Ortsrand mit freiem Blick in die Landschaft entstanden ist. „Die Weite“, sagt Jörg Fröscher, „die macht etwas mit einem.“