Einen rechtschaffenen Schwaben juckt es in den Fingern, zum Schwamm zu greifen, um den „Weltenfahrer mit Boot“, den Brunnen in der Ortsmitte zu säubern. Doch das ist nicht so ohne weiteres möglich.

Ditzingen - Egal, ob man sich inzwischen mit dem Weltenfahrer in der Ditzinger Marktstraße arrangiert hat oder ihn ihm immer noch wie einst den Müllmann oder gar die Figur aus dem Überraschungsei sieht: So wie er aber dieser Tage den Blick in die Welt schweifen lässt, kann man ihn nicht länger lassen. Jeden rechtschaffenen Schwaben jedenfalls juckt es in den Fingern, den Scheuerlappen in die Hand zu nehmen und die Brunnenfigur kräftig zu schrubben. So dreckig, braun-grün unansehnlich ist die fünf Meter hohe Figur in der Ortsmitte geworden. Kurzum: sie befindet sich in einem „wenig attraktiven“ Zustand. Das jedenfalls meinen fraktionsübergreifend die Stadträte. Sie baten die Verwaltung deshalb darum, den Brunnen „Weltenfahrer mit Boot“ des Künstlers Daniel Wagenblast zu putzen.

 

Wenn es doch nur so einfach wäre! Der Oberbürgermeister Michael Makurath verwies darauf, dass der Bauhof, der für die alltägliche Reinigung verantwortlich ist, nicht einfach den Schrubber in die Hand nehmen könne. „Bei einer Nachbehandlung, welche die Substanz des Kunstwerkes betrifft, bedarf es der Mitwirkung des Künstlers.“ Denn wer außer dem Künstler weiß schon, ob der Alterungsprozess nicht Teil des Kunstwerks ist?

Selbst wenn die Stadt Eigentümer des Kunstwerkes ist – sie hatte es im Jahr 2002 für umgerechnet 120 000 Euro gekauft – kann sie noch lange nicht damit machen, was sie will. Der Heidelberger Jurist und Vorsitzende des Instituts für Kunst und Recht, Nicolai Kemle, erklärt den Zusammenhang so: „Kunstwerke besitzen eine Doppelnatur“, bestehend aus körperlichem Gegenstand und geistigem Inhalt. Kemle spricht deshalb auch von den „zwei Seiten einer Münze“. Das Kunstwerk kann also dem Künstler abgekauft werden, dieser behalte aber weiterhin das Recht zum Schutz des geistigen Inhalts. Neben diesem Urheberrecht seien Kunstwerke gesetzlich vor Veränderung geschützt. Wer ein Kunstwerk beschädigt, muss Schadenersatz zahlen. Die Frage ist nur, wie die Höhe des Schadenersatzes bemessen wird: Ist das Unikat unwiederbringlich zerstört oder kann es der Künstler wiederherstellen?

Was also tun, wenn dem Brunnen anzumerken ist, dass Wasser am Kunstwerk herunterläuft, welches die Farbe verändert und Verkalkungen zur Folge hat, die aber Teil des Alterungsprozesses sind? Die Stadt hat wenig Handlungsspielraum. „Entscheidend ist, dass die Standsicherheit und die Substanz des Kunstwerkes nach wie vor ungefährdet sind“, sagt der Oberbürgermeister Michael Makurath. Gleichwohl hat die Verwaltung nun Kontakt mit dem Künstler aufgenommen. Der hat sich den Weltenfahrer angeschaut. Im Oktober, so teilt die Verwaltung mit, wolle er zur „Verschönerungsaktion“ kommen: Die Farben des Bootes und die Bekleidung der Figur werden eventuell nachgestrichen, Verkalkungen mit der Drahtbürste entfernt, unattraktive Stellen gesäubert und ausgebessert. Der Mann ist Schwabe. Er weiß, was sich gehört.