Mehrere Künstler des Kultur- und Kunstkreises haben am Sonntag zu einem Tag der offenen Tür in ihr Domizil am Bahnhof eingeladen. So sicher es zeitlich begrenzte Ateliers sind, so intensiv wird dort gearbeitet.

Ditzingen - Eigentlich“, sagt Ruben Baumgartner, „bräuchte es jemand, der hier berühmt wird. Dann würde das Gebäude vielleicht erhalten.“ Denn wer traute sich schon, jene Wirkungsstätte abzureißen, in der ein großer Künstler einmal klein angefangen hat? Baumgartners Worte entbehren nicht einer gewissen Ironie. Er ist selbst ein Großer, zuhause, im österreichischen Salzburg. Seit drei Jahren aber lebt er jetzt in Ditzingen. Hier kennt ihn und seine Kunst fast niemand. „Ich fange quasi von vorne an“, sagt der Mann, der in Österreich seit gut einem Jahrzehnt von seiner Kunst auch leben kann. Die berufliche Veränderung seiner Frau hat die Familie nun nach Ditzingen geführt. Dort hat Baumgartner gestern erstmals überhaupt seine meist großformatigen Arbeiten gezeigt.

 

Der Kultur- und Kunstkreis hatte zum Tag der offenen Tür in der Galerie „Hier und Jetzt“ eingeladen. Diese befindet sich in den ehemaligen Räumen einer Spedition am Bahnhof. Der Name der Galerie kommt nicht von ungefähr: Auch wenn die Künstler mittlerweile seit drei Jahren in den unentgeltlich von der Stadt zur Verfügung gestellten Hallen arbeiten, so ist ihre Zukunft dort doch begrenzt. Denn selbst wenn die Zeitpläne nach Angaben der Stadt noch nicht konkretisiert sind, ist eines gewiss: Das Bahnhofsareal wird umgestaltet, der alte Lokschuppen, wie das Gebäude auch heißt, wird abgerissen. Weil die Künstler dort zwar Licht, aber keine Heizung haben, laden sie seither bevorzugt in der warmen Jahreszeit zu Ausstellungen ein. Alle neun Künstler – allesamt Ditzinger –, die dort ihre Ateliers haben, zeigen nun seit gestern ihre Werke.

Besucher wie Künstler schätzen die Atmosphäre. Doch im Bedauern der Vergänglichkeit schwingt bei allen eben auch das Wissen mit, dass sich erst dadurch die Kreativität mit voller Wucht Bahn bricht: Hier gilt’s. Jetzt. Die Geschichte hat aber auch ihren Platz: „Der Aufenthalt auf dem Betriebsgelände ist nicht gestattet“, steht auf einer Warntafel. Eine Reminiszenz an vergangene Zeiten; auch diese werden – an anderer Stelle – augenzwinkernd Kunst.

Ruben Baumgartner malt mit Acrylfarben auf Acrylglas, formt und schichtet, ehe er seine Arbeit letztlich mit einer Gießharzmischung überzieht. So gibt er dem Bild weitere Strukturen, auch Tiefe, ehe der Gießharz fest wird. Basis etwa der großformatigen Werke aus der Reihe „.Projekt: 10+1“ sind Schwarzweiß-Fotografien. Bis auf eine Ausnahme sind es Fotos von Senioren eines Altenzentrums.

So ernst diese Arbeiten bei aller Kreativität wirken, so leicht kommt dagegen der Raum daher, den Bärbel Scherrer und Iris Hock mit Keramikarbeiten und einem Wandfries vorwiegend in hellen Grün- und Blautönen gemeinsam gestaltet haben. Fische schwimmen im Wasser, also auf dem Boden, doch – so lautet ein augenzwinkernder Hinweis – ist das Angeln dort „ausdrücklich untersagt“. Gleichwohl: vor dem Raum bieten die Künstlerinnen Kekse und Fruchtgummis in Fischform an. Hier darf geangelt, zugegriffen werden.

Wer darauf keinen Appetit hat, wird anderswo fündig. Die Vielfalt der gezeigten Werke ist so groß, dass für jeden etwas dabei ist. Ob bei den gegenständlichen Arbeiten von Jürgen Kaulmann, den Seelenbildern der Elisabeth Ott, den jungen Arbeiten der Gerda Pfund oder bei Iride Rentschler, die mit Alufolie arbeitet. Barbara Fauser zeigt abstrakte wie gegenständliche Werke, klein- wie großformatig. Dazwischen ein Stuhl, ein Tisch – Kunst, die zum Verweilen einlädt. Gabriele Landgrafe hat die Möbel bearbeitet, in der Halle ist Platz, auch sie zu zeigen; nicht nur die filigranen Figuren mit menschlichen Zügen, farblich der realen Fischwelt entlehnt.