Die ungleiche Verteilung der Vermögen in Deutschland könne zu einem Problem für die Demokratie werden, warnt der Wirtschaftsforscher Markus Grabka. „Wer für etliche Millionen Euro und zigtausende Arbeitsplätze steht, hat auch mehr politische Macht“, sagt er.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Die hohe Vermögenskonzentration in Deutschland passt für den Berliner Ökonomen Markus Grabka nicht zu einer Gesellschaft, die Chancengleichheit und den Leistungsgedanken propagiert. Auch die Steuerprivilegien für die Erben von Betriebsvermögen sieht der Verteilungsforscher kritisch.

 
Herr Grabka, die Privatvermögen der Deutschen sind in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Profitieren davon auch Normalverbraucher oder werden nur die Reichen immer reicher?
Zunächst muss man sagen, dass wir über die Top-Vermögen in Deutschland herzlich wenig wissen. Die Datenbasis ist sehr schmal, und in die wenigen Statistiken, die es gibt, gehen Multimillionäre und Milliardäre praktisch nicht ein. Seit der Aussetzung der Vermögensteuer in Deutschland im Jahr 1997 wissen wir daher nur sehr wenig darüber, wie sich die Vermögensungleichheit insgesamt entwickelt hat.
Lässt sich aus den vorhandenen Daten dennoch eine Entwicklung zu einer wachsenden Ungleichheit ableiten?
Das DIW hat 2002, 2007 und 2012 Erhebungen mit jeweils etwa 25.000 Befragten durchgeführt. Dabei konnten wir keine signifikante Veränderung des Gini-Koeffizienten feststellen. Er lag konstant bei 0,78 – und damit recht nahe bei dem Wert 1, der einer maximalen Ungleichheit entsprechen würde. Mit anderen Worten: Die Vermögensverteilung in Deutschland ist bereits so ungleich, dass sie sich nur noch wenig verschlechtern kann. Wenn man in einer Modellrechnung auch die geschätzten Vermögen der Multimillionäre und Milliardäre berücksichtigt, ist die Ungleichheit sogar noch größer. Auch Daten der EZB belegen, dass die Vermögenskonzentration in den Händen weniger in Deutschland EU-weit mit am höchsten ist. Auf der anderen Seite verfügen große Teile der Bevölkerung über keinerlei Vermögen. Bei diesen Analysen sind aber keine Rentenanwartschaften berücksichtigt, die für die Mehrheit der Bevölkerung eine wichtige fiktive Vermögenskomponente darstellen.
Die OECD hat kürzlich die Einkommensverteilung untersucht, bei der Deutschland besser abschneidet. Dabei kommt die Organisation zu dem Ergebnis, dass eine große Einkommensungleichheit das Wirtschaftswachstum bremst. Gilt das auch für eine ungleiche Vermögensverteilung?
Die Ergebnisse kann man zwar nicht direkt übertragen. Aber die Vermutung liegt nahe, dass die Gesetzmäßigkeiten, die mit Blick auf die Einkommensverteilung festgestellt wurden, auch für die Vermögensverteilung gelten. Auch eine hohe Vermögensungleichheit dürfte sich vermutlich negativ auf das Wachstum auswirken.
Welche Folgen hat die starke Vermögensakkumulation in den Händen weniger für die Chancengleichheit?
Wenn es um Chancengleichheit geht, ist die Vermögensungleichheit wahrscheinlich sogar wichtiger als die Einkommensgleichheit. Die OECD weist darauf hin, dass die unteren 40 Prozent der Einkommensbezieher bei steigender Ungleichheit weniger in die eigene Bildung oder in die ihrer Kinder investieren. Vieles spricht dafür, dass das auch für wenig vermögende oder verschuldete Haushalte gilt. Das passt nicht zu einer Gesellschaft, die Chancengleichheit und den Leistungsgedanken propagiert. Die Vermögenskonzentration kann auch zu einem Problem für die Demokratie werden. Wer für etliche Millionen Euro und zigtausende Arbeitsplätze steht, hat auch mehr politische Macht.

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