Die Stiftung Kunstmuseum Stuttgart will den Alltag der Künstlerfamilie Dix  zeigen. Dafür fehlt dem Verein aber noch das nötige Geld.  

Hemmenhofen - Die antiquierten Keramik-Isolatoren an der Hausecke oberhalb der betagten Außenlampe dürfen wohl bleiben. Authentizität geht den Machern des Umbaus eben über alles. Das Landhaus des Malers Otto Dix ist in Hemmenhofen, einem Ortsteil von Gaienhofen (Kreis Konstanz) in die Jahre gekommen. Aber es erzählt Geschichte. Die eines gefeierten und dann von den Nazis verfemten Künstlers, der mit seiner Familie in die tiefste Provinz flüchten musste. Mit Spendengeldern soll die 75 Jahre alte Villa saniert und umgebaut werden. Danach wird sie an das Kunstmuseum Stuttgart übergehen, das mit 250 Werken über die weltweit bedeutendste Werksammlung des Malers verfügt. Von 2013 soll das Haus Dix als Außenstelle an das Kunstmuseum angeschlossen sein. Noch aber hat der Stiftungsverein das Geld für die 1,1 Millionen Euro teure Erneuerung nicht eingesammelt.

 

Als die Nazis 1933 die Macht übernehmen, wird Dix als einer der ersten Kunstprofessoren an der Kunstakademie Dresden aus dem Amt gejagt. Er kommt mit seiner jungen Familie auf dem kalten und zugigen Schloss Randegg bei Gottmadingen unter. 1936 zieht Otto Dix auf die Halbinsel Höri in das neu gebaute Landhaus in Hemmenhofen. Im Jahr darauf gelten seine Werke als "entartete Kunst". 260 Bilder von Dix werden aus deutschen Museen beschlagnahmt, verkauft und teilweise verbrannt. Dix übersteht die Nazidiktatur am See in innerer Emigration.

Das Geld zum Bau einer Villa mit fast 400 Quadratmeter Wohnfläche hatte Dix nicht, wohl aber seine Frau Martha, die aus großbürgerlichem Hause stammte und viel erbte. Ihr allein gehörte das Anwesen zeitlebens. Das Grundstück liegt am Hang zum See hin. Es ist saurer Boden, für die Landwirtschaft nicht zu gebrauchen und deshalb billig.

"Zum Kotzen schön"

Aber was für eine Aussicht! Man blickt auf den Bodensee, das Schweizer Ufer und oft sieht man die Alpen. Das Haus war sonnendurchflutet. Das zeigen die hellen, fast mediterran anmutenden Bilder von Dix aus jener Zeit. Die hohen Bäume und Sträucher, die heute das Anwesen umgeben, waren da erst angelegt worden. Vor der Landschaft der Höri steht er erst "wie eine Kuh" und findet sie voller Grimm "zum Kotzen schön". Bald inspirieren ihn Hügel, Wiesen und See zu Landschaftsbildern im altmeisterlichen Stil. 33 Jahre, bis zu seinem Tod 1969, wird Dix in Hemmenhofen bleiben. Hier wachsen seine Kinder Nelly, Ursus und Jan auf. Martha bleibt bis 1979, bevor sie bis zu ihrem Tod 1985 nach Südfrankreich zieht.

Den Alltag der Künstlerfamilie spürbar zu machen - das ist die Leitidee Daniel Spankes. Der 45-jährige Kurator beim Kunstmuseum ist der designierte Leiter des neuen Museums. Er sieht keinen Sinn darin, den Maler einmal mehr "auf einen Podest zu heben". Stattdessen will er den Lebensort wiederaufleben lassen. Angefangen bei Martha Dix, die so gut Klavier spielte wie eine Konzertpianistin. Dann die 1955 mit nur 31 Jahren verstorbene Nelly Dix, eine hochbegabte Schriftstellerin und Künstlerin. Mit den Brüder Ursus, dem Restaurator, und Jan, dem Gold- und Kunstschmied, deren Werke ebenfalls gezeigt werden sollen. "Für die Besucher soll das so sein, als ob sie gerade bei Dixens zu Gast wären", erklärt Spanke.

Der museale Charakter soll verschwinden. Die private Atmosphäre eines Wohnhauses zurückgewonnen werden, ohne das Werk von Dix in den Hintergrund zu drängen. An wichtige Werke wie das "Großstadt-Triptychon" im Musikzimmer, der "Triumph des Todes" im Esszimmer und das Porträt der Tänzerin Anita Berger im Treppenhaus wird erinnert. Schwerpunkte einer Dauerausstellung soll die Schaffenszeit am Bodensee werden, mit den Landschaften, Porträts der Familie und der Personen der Gegend. Das Haus werde denkmalgerecht saniert und den Bedürfnissen eines modernen Museums angepasst. So sind drei klimatisierte Räume vorgesehen, damit auch wieder mehr Originale von Dix gezeigt werden können, die bislang spärlich vertreten sind. Bei den Räumen sei man um eine Rekonstruktion im Stil der Zeit bemüht - sowohl bei den farbigen Fassungen wie der Möblierung. Der Garten soll nach dem Konzept eines Züricher Gartenarchitekten wieder hergerichtet werden. Dem 2009 gegründeten Verein der Otto-Dix-Haus-Stiftung ist es gelungen, das Gebäude mit den noch vorhandenen acht Hektar Gartenfläche von der Enkelin Bettina Dix-Pfefferkorn für eine halbe Million Euro - das entspricht der Hälfte des Schätzpreises - zu erwerben.

Die Sanierung scheint bitter nötig

Das Kunstmuseum hat dabei mit einer Viertelmillion Euro den größten Teil beigesteuert, die andere Hälfte kam von privaten Spendern, dem Landkreis Konstanz und der Gemeinde Gaienhofen. Dem Vorsitzenden der Dix-Haus-Stiftung und Konstanzer Landrat Frank Hämmerle (CDU) liegen weitere Zusagen privater Spender in Höhe von rund 350.000 Euro vor. Aber das wird nicht reichen. Noch immer fehlen gut 650.000 Euro, um die rund 1,1 Million Euro teuren Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten in Gang zu setzen.

Die Sanierung scheint bitter nötig. Die Bausubstanz ist laut Gutachten zwar in einem gutem Zustand, doch die Heizung, der Dachstuhl und der Keller bedürfen dringend der Erneuerung. Der Beginn der Bauarbeiten soll im September sein und etwa ein Jahr dauern. Bis Oktober wird das Museum, das Fotografien zu Dix zeigt, noch offen gehalten. "Ich laufe mir die Haken ab, um das restliche Geld zu bekommen", sagt Hämmerle. Angefragt sind auch die Denkmalstiftung Baden-Württemberg und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. "Wenn wir das Geld bis im Herbst noch nicht zusammenhaben", sagt Hämmerle, "müssen wir den Umbau in Etappen angehen."

"Trau Deinen Augen, Otto Dix - Ein Fotoporträt" (bis 16. Oktober), Otto-Dix-Weg 6, Gaienhofen-Hemmenhofen, Di-Sa 14-18 Uhr, So und Feiertag 11-18 Uhr.

Otto Dix - Ein Künstler zwischen Dresden und der Höri

Leben: Der 1891 in Gera geborene und 1969 in Singen gestorbene Otto Dix war einer der bedeutensten deutschen Maler und Grafiker im 20. Jahrhundert. Er lernt Dekorationsmaler, studiert an der Kunstgewerbeschule, dann an der Kunstakademie in Dresden.

Schaffen: Der freiwillige Teilnehmer am Ersten Weltkrieg wird mit dadaistischen Kriegsbildern berühmt. 1922 geht er nach Düsseldorf, 1925 nach Berlin, wo er sich dem Realismus zuwendet. 1927 bis 1933 ist er in Dresden Professor an der Kunstakademie.

Flucht: 1933 wird Dix in Dresden entlassen. Seine Werke gelten als „entartete Kunst“. Er malt Landschaften und Porträts im altmeisterlichen Stil. Nach 1945 kehrt er zum Expressionismus zurück. Regelmäßige Arbeitsaufenthalte führen ihn nach Dresden.