DLRG Böblingen sieht Gefahren Sorgenvoller Blick in die Badesaison

Die DLRG bietet nicht nur Schwimmtrainings an. Sie ist auch regelmäßig an den Beckenrändern in Schwimmbädern im Einsatz, um Badeunfällen vorzubeugen. Foto: Drofitsch/Eibner

Die Schwimmfähigkeiten von Kindern haben im Coronajahr gelitten. Auch deshalb erwartet der Böblinger DLRG-Vorsitzende Jürgen Schmidt für seine Rettungsschwimmer einen herausfordernden Sommer.

Böblingen: Martin Dudenhöffer (dud)

Kreis Böblingen - Der Sommer hat Einzug gehalten im Kreis Böblingen. Für viele Menschen bedeutet das, Badesachen einpacken und ab ins kühle Nass. Tausende Badehungrige von Jung bis Alt ziehen an Badeseen oder in die Freibäder der Region. Auch entlang des Neckars suchen viele Schwimmer, Familien, Kinder und Jugendliche bei Temperaturen von über 30 Grad nach Abkühlung. Nicht selten aber wird aus Badespaß und sommerlicher Unbeschwertheit Lebensgefahr.

 

Das liegt auch daran, dass weniger Erwachsene und vor allem immer weniger Kinder richtig schwimmen können – nicht zuletzt wegen der Coronapandemie. Der gerade begonnenen Badesaison blickt die Deutsche Lebens-Rettungsgesellschaft (DLRG) daher mit Sorgen entgegen. Jürgen Schmidt ist seit fast 30 Jahren Vorsitzender der DLRG-Ortsgruppe Böblingen. Seit Jahrzehnten steht er auch an den Beckenrändern der Schwimmbäder und an den Ufern von Seen und Meeren und hat vielen Generationen das Schwimmen bei- und nähergebracht. Der heute 80-Jährige beobachtet seit Jahren mit Besorgnis, dass die Schwimmkompetenz gerade bei den Jüngsten zurückgeht. Dafür hat er verschiedene Gründe ausgemacht: „In der Coronakrise konnten Kinder weder in den Schulen noch bei uns in Kursen oder mit ihren Eltern in der Freizeit schwimmen lernen oder üben. Die Schwimmbäder waren monatelang geschlossen und auch wir bei der DLRG konnten erst vor zwei Wochen wieder mit unserem Lehrbetrieb für Kinder und Erwachsene starten. Bundesweit seien in dem Jahr seit dem Corona-Ausbruch rund 75 Prozent weniger Schwimmabzeichen gemacht worden.

Außerdem bestehe besonders bei Eltern weiterhin der Irrglaube, mit dem Seepferdchen-Abzeichen seien die Kinder voll schwimmfähig. „Für das Seepferdchen müssen Kinder 25 Meter in einem ruhigen Beckenwasser schwimmen, einen Ring aus schultertiefen Wasser fischen und vom Beckenrand springen können. Es reicht, all das mit Ach und Krach zu schaffen, um das Abzeichen zu erhalten“, erklärt Schmidt und führt aus: „Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Kinder sich damit sicher im Wasser bewegen können. Das hat nichts mit wirklicher Schwimmsicherheit zu tun.“

Gezieltes Schwimmtraining durch Eltern wird seltener

Zudem gingen Eltern seltener gezielt mit ihren Kindern ins Schwimmbad, um zu trainieren. Häufig hat Jürgen Schmidt als Wachdienstler auch erleben müssen, wie wenig manche Eltern auf ihre schwimmenden Kinder Acht geben und wie wenig Anerkennung Rettungsschwimmer für ihr Engagement bekommen. „Manchmal habe ich Eltern auf eine Gefahrensituation hingewiesen. Dafür bin ich oft beleidigt worden, mit dem Hinweis, dass ich mich nicht einmischen solle“, macht der erfahrene Rettungsschwimmer seinem Ärger Luft.

Um sich ans Wasser zu gewöhnen und sicher zu werden, müsse man in Schwimmbädern trainieren. Die DLRG beklagt außerdem, dass das Bädersterben in Deutschland in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Etwa 80 Bäder schließen im Schnitt deutschlandweit pro Jahr – für immer. Der Grund: der Sparzwang vieler Kommunen. Vielen Gemeinden ist die Instandhaltung eines Schwimmbades zu teuer, der Badebetrieb in Hallen- und Freibädern ist ein Zuschussgeschäft seitens der Städte und Kommunen. Das ginge zulasten der allgemeinen Schwimmfähigkeit. „Glücklicherweise haben wir diese Tendenz im Kreis Böblingen nicht sehen müssen. Wir sind hier im Kreis sehr gut aufgestellt, die Infrastruktur ist hervorragend. Andernorts aber ist das Bädersterben traurige Realität. Weniger Wasserflächen bedeutet weniger Möglichkeiten, das Schwimmen zu erlernen oder das Erlernte zu üben. Das ist gefährlich, ganz besonders für Kinder“, sagt Schmidt. Aus diesem Grund wünscht sich der DLRG-Vorsitzende, dass mehr Bäder gebaut und bestehende auch bestehen bleiben.

Bäderschließungen sind ein Problem, das der Kreis Böblingen nicht kennt

Der 80-jährige Diplom-Ingenieur, der 1968 aus West-Berlin ins Schwabenland zog, kann sich vor allem an zwei brenzlige Situationen erinnern, bei denen sein Können als Rettungsschwimmer plötzlich gefragt war. In einem Hallenbad war Schmidt als Wachdienstler eingesetzt, als er bemerkte, wie eine dreiköpfige Familie am Beckenrand vom Nichtschwimmer- in den Schwimmerbereich lief. Als der Vater ausrutschte und das Gleichgewicht verlor, riss er die Mutter und das etwa einjährige Kind mit ins Wasser. „Die Eltern konnten nicht schwimmen. Ich bin sofort reingesprungen und habe sie aus dem Becken gezogen“, erzählt Jürgen Schmidt mit noch immer ungläubiger Stimme. Der Leichtsinn einer älteren Dame war die Ursache für ein weiteres Rettungsmanöver, das Schmidt vor Jahren am Bodensee leisten musste: „Die Frau hatte beim Schwimmen offenbar ein Blackout und drohte zu ertrinken. Ich habe sie gerettet, dafür aber nie ein Danke oder ein freundliches Wort erhalten.“ Solche Situationen sind in den vielen Jahren ehrenamtlicher Arbeit bei den Lebensrettern vom DLRG aber für Jürgen Schmidts eher die Ausnahme geblieben.

Damit das Schwimmen und Planschen auch im Freibad Böblingen sicher ist, säumen an den Wochenenden und an Feiertagen aktuell zehn ausgebildete DLRG-Rettungsschwimmer mit den charakteristischen gelben oder roten T-Shirts, Basecaps und roten Trillerpfeifen den Beckenrand. „Wir sind dort als Unterstützung tätig, ansonsten haben die Betreiber der Freibäder im Kreis selbst Wachpersonal angestellt“, erläutert Schmidt.

Neben Böblingen wäre die DLRG-Ortsgruppe mit ihren insgesamt 30 Rettungsschwimmern eigentlich auch im Gärtringer Freibad eingesetzt. Dieses wird 2021 allerdings wegen Sanierungsarbeiten geschlossen bleiben. Der Schwerpunkt der Böblinger DLRG-ler liegt ohnehin auf ihren heiß begehrten Schwimmkurse n im Hallenbadanbau Murkenbach, abends nach Badeschluss im Freibad Böblingen und im Hallenbad Dagersheim/Darmsheim. Nach dem Pandemiejahr, in dem Etliche schwimmtechnisch auf der Strecke geblieben sind, ein besonders wichtiges Engagement.

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