Am Samstag steigt der große Bundesligagipfel. Im Mittelpunkt stehen Mario Götze und Mats Hummels, die in die alte Heimat zurückgekehrt – und dort ganz unterschiedlich aufgenommen worden sind.

Stuttgart - Dem grotesken 8:0 gegen San Marino folgte ein respektables 0:0 gegen Italien – die wohl schwerste Aufgabe auf der jüngsten Länderspielreise aber bewältigte Joachim Löw auf dem diplomatischen Parkett. Nach einem ausgeklügelten System verteilte der Bundestrainer in Mailand die Einsatzminuten zwischen den Profis des FC Bayern und jenen aus Dortmund: Mats Hummels durfte nach 45 Minuten raus, Thomas Müller nach 60; Julian Weigl tauschte nach 70 Minuten seinen Platz mit Mario Götze. Die gesamte Spielzeit war nur Joshua Kimmich im Einsatz – zumutbar für einen, der erst 21 ist.

 

Protestnoten aus München und Dortmund blieben demnach vor dem Bundesligagipfel am Samstag (18.30 Uhr) in Westfalen ausnahmsweise aus. Bereits zum dritten Mal in den vergangenen fünf Jahren haben die Spielplanexperten der DFL das große Duell unmittelbar anschließend an die heikle November-Länderspielpause gelegt. Bisher gewann stets jene Mannschaft, die weniger Kräfte im Auftrag der Nation lassen musste: 2011 siegte der BVB 1:0 in München, zwei Jahre später revanchierten sich die Bayern mit einem 3:0 in Dortmund.

35 Millionen Euro bezahlten die Bayern und bekamen 22 Millionen wieder zurück

Jetzt herrscht also weitgehende Waffengleichheit – und im Mittelpunkt steht ein anderes, viel brisanteres Thema: die doppelte Rückkehr der verlorenen Söhne Mats Hummels (27) und Mario Götze (24) zu ihren Heimatclubs, das erste Liga-Aufeinandertreffen nach den spektakulären Sommertransfers. 35 Millionen Euro bezahlten die Bayern für Hummels und bekamen 22 Millionen zurück, als es Götze wieder nach Dortmund zog.

Mats Hummels schüttelte in den Tagen bei der Nationalmannschaft bis zum Schluss den Kopf, wenn er nach seinen Befindlichkeiten vor dem Bundesliga-Klassiker befragt wurde. Er wolle sich dazu nicht äußern, sagte der Innenverteidiger, weil er genau weiß, dass jedes unbedachte Wort zu einem Politikum werden kann. Achteinhalb Jahre spielte der gebürtige Münchner beim BVB und war eines der prägenden Gesichter jener Zeit, in der die Borussia unter Trainer Jürgen Klopp vorübergehend an den Bayern vorbeistürmte.

Hummels’ Abschied bedeutete das Ende der Dortmunder Ruhrgebietsromantik

Ein Schock war es für den Anhang, als nach Götze und Robert Lewandowski nun auch Hummels die Seiten wechselte. Sein Wechsel bedeutete den finalen Sieg des Fußballkapitalismus und das Ende der Dortmunder Ruhrgebietsromantik. Bei Götzes BVB-Abschied drei Jahre zuvor war es ausgerechnet Hummels gewesen, der sein völliges Unverständnis geäußert hatte („Ich glaube, dass es sportlich wenig bis keine Gründe gibt, uns zu verlassen.“).

Anders als Götze, der beim Rekordmeister bis zum Schluss fremdelte, brauchte Hummels keine Anlaufzeit, um sich bei den Bayern zurechtzufinden. Viele Mitspieler kennt er seit Jahren aus der Nationalelf. Und schon vor seinem Umzug hatte er die freien Tage mit seiner Frau Cathy meist in der gemeinsamen Wohnung in der Münchner Innenstadt verbracht.

Im Supercup sind Hummels wütende Pfiffe der VBV-Fans nicht erspart geblieben

Schwieriger war es, die richtige Tonlage zu finden, die der Bayern-Familie die Freude über seine Heimkehr signalisieren sollte, ohne die BVB-Fans vor den Kopf zu stoßen. Heraus kamen Sätze wie dieser: „Ich habe bei Bayern das Fußballspielen gelernt, in Dortmund bin ich als Fußballer gewachsen.“ Wütende Pfiffe blieben Hummels dennoch nicht erspart, als er erstmals im Bayern-Trikot zu Saisonbeginn beim 2:0 im Supercup der schwarz-gelben Wand im Dortmunder Stadion gegenübertrat. „Fußball ist etwas Emotionales – ich kann gut damit leben, wenn sich die Emotionalität gegen mich richtet“, sagte Hummels.

Die Folgen enttäuschter Liebe hatte Götze im April 2013 noch viel stärker zu spüren bekommen. Aus dem „heiligen Mario“ wurde über Nacht „Judas, der Verräter“, nachdem sein Wechsel nach München unmittelbar vor dem Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid durchgestochen worden war. Akute „Explosionsgefahr“ witterte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge damals im Verhältnis beider Clubs. „Völlig störungsfrei“ hingegen sei in diesem Sommer der Doppelwechsel abgewickelt worden, der vom Zwölf-Millionen-Euro-Transfer des Münchners Sebastian Rode zum BVB ergänzt wurde.

Die Formkurve von Götze zeigt inzwischen nach oben

Mit dem Eingeständnis, dass sein Wechsel zu den Bayern ein Fehler gewesen sei („Ich würde die Entscheidung heute so nicht mehr treffen“), versuchte Götze, die Zuneigung der Fans zurückzugewinnen. Begeisterungsstürme löste die Rückkehr des einstigen Lieblings zwar trotzdem nicht aus – doch wird die Zahl jener, die ihn noch immer auspfeifen, von Woche zu Woche kleiner. Götze ist offener und zugänglicher als in München geworden, auch seine Formkurve zeigt nach oben – nicht steil zwar, aber immerhin. „Natürlich kann er noch deutlich mehr, aber er wird immer besser“, sagt der BVB-Boss Hans-Joachim Watzke. Gönnerhaft gibt sich sogar Rummenigge: Götze sei „ein lieber Bursche“ und habe „absolut das Zeug dazu“, wieder durchzustarten.

In der Champions League hat der WM-Held bereits einmal getroffen, in der Bundesliga wartet Mario Götze noch auf sein erstes Tor. Das große Spiel am Samstag würde sich dafür bestens eignen.