Auf der Urbanstraße ist ein kleines Filmdorf entstanden, quer durch die Stadt sieht man Produktionsfahrzeuge: Gerade entsteht in Stuttgart eine große Kinoproduktion über John Cranko, der in einer spannenden Zeit Ballettgeschichte geschrieben hat.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Vor fast 50 Jahren ist er gestorben, aber in Stuttgart noch allgegenwärtig: Der Name von John Cranko hat seinen guten Klang bis heute behalten. Die Stadt ist stolz auf die Arbeit des charismatischen und experimentfreudigen Choreografen, der in den 60ern innerhalb von wenigen Jahren ein „Ballettwunder“ geschaffen hat, das weltweit nachwirkt. Noch immer bewegt der gebürtige Südafrikaner Stuttgart – und nun rollen für ihn Fahrzeuge der Kölner Filmproduktionsfirma Zeitsprung Pictures durch die Stadt. Der Regisseur und Autor Joachim A. Lang dreht nach jahrelanger Recherche und vielen Gesprächen mit den damals Beteiligten einen Kinofilm über den großen Cranko, über eine Legende der Tanzkunst.

 

Regisseur Lang will zeigen, „wie toll Stuttgart ist“

In Crankos Leben steckt viel Stoff für einen packenden Kinofilm. 1961 hat der damals 33-Jährige London verlassen, wo es unschöne Schlagzeilen der britischen Zeitungen über seine Homosexualität gab. Scheinbar durch einen Zufall sei der Choreograf in Stuttgart gelandet, notierte Walter Erich Schäfer, der damalige Intendant der Württembergischen Staatstheater, in seinen Erinnerungen. Der Theaterchef glaubte an ein „verdeckt wirkendes Schicksal“, wie er schrieb. Dabei hat Schäfer – auch er spielt in dem Kinofilm mit dem Arbeitstitel „Cranko“ eine tragende Rolle – an den Fäden, den Jungstar aus London hierher zu holen, selbst entschieden mitgezogen.

Sein Film, sagt Regisseur Joachim A. Lang unserer Zeitung, von dem unter anderem „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ stammt, soll zeigen, „wie toll Stuttgart ist“. Das in der Stadt verbreitete Understatement verberge mitunter, was hier Großartiges für die Kultur geleistet werde. Seine Stuttgarter Drehorte sind unter anderem die Cranko-Schule, das Opernhaus, der Bismarckturm, ein Kavaliershäuschen am Schloss Solitude und der Hoppenlau-Friedhof. Finanziert wird die große Produktion unter anderem vom SWR. Bevor der Film in der ARD läuft, soll er in die Kinos kommen. Die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MfG) unterstützt „Cranko“ mit 650 000 Euro – mit der höchsten Summe in ihrem Förderetat.

Aktuelle Stars der Stuttgarter Balletts spielen die legendären Cranko-Tänzer Richard Cragun, Birgit Keil, Marcia Haydée und Egon Madsen. Crankos „Initialen R.B.M.E.“ ist sein wohl persönlichstes Ballett und eine „Ode an die Freundschaft“. Die heutigen Solisten werden in dem Film nicht nur tanzen, sondern auch die Rollen spielen. Wer die Hauptrolle des John Cranko spielt, will die Produktionsfirma Zeitsprung Pictures erst in Kürze öffentlich bekannt geben. Die Dreharbeiten in Stuttgart sollen bis Ende April gehen.

Gestorben ist er beim Rückflug von einer USA-Tournee

Dass sich in Stuttgart früher als andernorts liberales Denken durchgesetzt hat, war auch ein Verdienst des Balletts und ihres 1973 während eines Rückfluges von einer erfolgreichen USA-Tournee viel zu zu früh verstorbenen Chefs John Cranko. Der Intendant, der nur 45 Jahre alt werden durfte, lebte offen schwul, womit er schon früh die Weichen stellte in Stuttgart für Toleranz und Akzeptanz. Bis heute liebt die Stadt Künstlerinnen und Künstler, die sich dem Tanz mit Haut und Haar verschrieben haben, die Emotionen in extremer Form ausleben und diese wie einst der Vater des Ballettwunders mit großer Leidenschaft weitergeben. Die Vorfreude auf den Kinofilm ist in Stuttgart deshalb groß.