Prominente wie Matthew Perry kamen nicht davon los. Manche starben an den Folgen ihrer Sucht: Das Medikament Fentanyl mutiert immer mehr vom Schmerzmittel zur gefährlichen Droge. In Deutschland ist es nach wie vor zulässig.
Fentanyl wird in der Medizin seit den 1960er Jahren einerseits als Schmerzmittel eingesetzt. Andererseits wurde das Medikament durch seine euphorisierende Wirkung mittlerweile zu einer außerordentlich beliebten, aber sehr gefährlichen Droge. Der am 28. Oktober 2023 verstorbene Schauspieler Matthew Perry bekannte sich öffentlich zu seiner Medikamentensucht und nahm unter anderem auch Fentanyl ein.
In seinen 2023 erschienenen Memoiren beschrieb Perry, wie er sich von Dealern auf der Straße mit Fentanyl versetztes Oxycodon besorgte. Perry soll hierfür mehrere Male in der Woche 3.000 US-Dollar ausgegeben haben. Perry starb allerdings laut ersten Autopsieberichten nicht an den Folgen des Medikamentenmissbrauchs. Prominente Kollegen wie Prince und Logan Williams dagegen schon.
Betäubt den Schmerz und wirkt euphorisierend
Laut dem Medikamenten- und Wirkstoffverzeichnis „Gelbe Liste Pharmaindex“, ist die schmerzstillende Wirkung von Fentanyl bis zu 100 Mal stärker als die von Morphin. Daher eigne sich die Substanz auch als Narkosemittel in der Anästhesie. Als Medikament werde Fentanyl vorrangig bei starken Schmerzen wie chronischen Tumorschmerzen, lebensgefährlichen Verletzungen, Verbrennungen und Frakturen eingesetzt.
In dem Medikamentenverzeichnis wird der Wirkmechanismus von Fentanyl wie folgt beschrieben: Im Gehirn und Rückenmark greife die Substanz in die Schmerzbahnen ein und verändere dadurch unter anderem das Schmerzempfinden. Außerdem sei Fentanyl über die Opioid-Rezeptoren im Gehirn sedativ, wirke also wie ein Beruhigungsmittel. In hohen Dosierungen könne der Konsum auch zur Bewusstlosigkeit führen. „Fentanyl wirkt euphorisierend und hat ein sehr hohes Suchtpotenzial“, warnt die „Gelbe Liste“ daher ausdrücklich. Die Substanz mache sowohl physisch und psychisch schnell abhängig. Beim Absetzen können zudem körperliche und geistige Entzugserscheinungen auftreten.
Da die Opioidrezeptoren weit im Körper verbreitet sind, hat die Substanz außerdem viele Nebenwirkungen, die tödlich sein können. Dazu gehören der „Gelben Liste“ zufolge unter anderem Angstzustände, Wahnvorstellungen und Atemstillstand. Zudem bestehe das Risiko von gefährlichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Beispielsweise könne die zeitgleiche Einnahme von Fentanyl mit MAO-Hemmern wie Tranylcypromin (die von manchen Menschen bei Depressionen eingenommen werden), laut „Stiftung Warentest“ das lebensbedrohliche Serotonin-Syndrom mit Erregungszuständen, Bewusstseinstrübung, Muskelzittern und -zucken sowie Blutdruckabfall auslösen.
Fentanyl ist in Deutschland trotz des hohen Suchtpotenzials nach wie vor zulässig, aber verschreibungspflichtig. Da die Wirkstoffaufnahme über die Mundschleimhaut erfolgt, dürfen die Tabletten nicht geschluckt werden, informiert die „Deutsche Apothekerzeitung“. Darüber hinaus gebe es auch Fentanyl-Pflaster, die den Wirkstoff über die Haut abgeben. Seit den 1980er Jahren ist Fentanyl allerdings auch in Reinform auf dem Schwarzmarkt erhältlich.
Bereits 2004 warnten die Ärztin Beate Erbas von der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen und Prof. Dr. med. Norbert Wodarz von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg, im Deutschen Ärzteblatt: „Sucht und Drogen: Fentanyl wird zunehmend missbraucht.“ In dem Text heißt es unter anderem: „Die Behandlungsprävalenz mit Fentanyl hat sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdreifacht. Gleichzeitig ist das Opioid immer häufiger an Drogentodesfällen beteiligt.“ Europaweit nehme der Missbrauch von Fentanyl zu. So habe laut der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht Fentanyl in Estland Heroin unter den intravenös Drogenkonsumierenden den Rang abgelaufen. In den USA konnte gezeigt werden, dass bei 75 Prozent der Opiatabhängigen, die in den letzten Jahren erstmals Kontakt mit dem Suchthilfesystem hatten, der Einstieg durch die Verschreibung von Opioiden wie Fentanyl erfolgte.
Nachdem auch in Deutschland begonnen wurde, gezielt danach zu suchen – Fentanyl wird als Opioid nicht in den üblichen Drogensuchtests entdeckt –, fiel auf, dass beispielsweise in Bayern immer häufiger Fentanyl an Drogentodesfällen beteiligt war. So ist im Zeitraum von 2008 bis 2013 der Anteil von Drogentoten mit Fentanylnachweis von 16 (6,5 Prozent) auf 69 Fälle (30 Prozent) angestiegen.
Weiterhin steigende Zahlen in den USA und in Europa
Und die Zahlen steigen weiter an. Laut einer Meldung der Presseagentur AFP im Frühjahr 2023, ist das Medikament mittlerweile für die meisten der fast 102.000 Todesfälle durch Überdosis in den USA von Oktober 2021 bis Oktober 2022 verantwortlich. Die Leiterin der US-Antidrogenbehörde DEA, Anne Milgram, bezeichnete die Substanz als die „heutzutage größte Bedrohung für die Amerikaner“. Auch europaweit nehme der Missbrauch von Fentanyl laut der „Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht“ zu.