Keine Kundenkarten oder Gewinnspiele: in Heinz Rittbergers Laden – dem Seifen Lenz – kann man einkaufen wie früher, als es noch keine Drogeriemarktketten gab. Berühmt ist das Geschäft im Stuttgarter Bohnenviertel für Kerzen und Seifen.

Stuttgart - Geblümte Badekappen, Kerzen, Seifen, Bürsten, Badeschlappen, Bohnerwachse, Wiener Kalk, Ata-Scheuerpulver und Pflegecremes. So sahen bis in die 1980er Jahre Drogerien aus – und so sieht es bis heute im Seifen Lenz im Bohnenviertel aus. Die Bezeichnung altmodisch hat meistens eine negative, abschätzige Bedeutung, in diesem Fall ist es anerkennend gemeint: In den Regalen liegen Produkte, die sich über Jahrzehnte bewährt haben und die – um mal neumodisch daherzukommen – nachhaltig sind. Zum Beispiel die Alepposeifen aus Syrien, die Olivenölseifen aus Frankreich und die Gallseifen aus Metzingen, alle ohne umständliche Verpackung. „Wenn man sich damit wäscht, fühlt sich die Haut wie eingecremt ein“, sagt Heinz Rittberger.

 

Der 76-Jährige führt das Geschäft mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn Matthias. Zumindest im Bohnenviertel ist er so bekannt wie der Seifen Lenz selbst. Und das will etwas heißen: Das Geschäft in der Esslinger Straße ist bald 229 Jahre alt. 1785 wurde Johann Friederich Lenz ins Zunftbuch der Seifensieder eingetragen, 1814 eröffnete er sein Geschäft. Schon damals gab es in dem Laden auch Kerzen zu kaufen: „Seifen wurden aus Schweinefett und Rindertalg gewonnen. Aus Talg stellte man damals auch Kerzen her“, sagt Heinz Rittberger. Bienenwachs hätten sich nur die reichen Menschen leisten können. Noch heute spielen Kerzen eine große Rolle: Zu kirchlichen Anlässen wie Weihnachten, Ostern, Konfirmationen und Taufen sind die hochwertigen Produkte gefragt.

Rittbergers Sohn übernimmt die Drogerie

Heinz Rittberger führt seit 1969 das Geschäft, nachdem er bereits als Schuljunge schon dort eingekauft hat. Geboren, aufgewachsen und bis heute geblieben ist er gleich um die Ecke in der Rosenstraße. Nach Johann Friedrich Lenz haben vier Generationen das Geschäft geleitet, bis Rittbergers Vorgängerin Elisabeth Häcker in den 1950er Jahren keinen Erben mehr hat. Sie stellte Rittberger ein, der nach seiner Ausbildung zum Drogeristen das Geschäft übernahm. Aufhören will er erst, wenn es gar nicht mehr geht, und er ist froh, dass sein Sohn dann übernimmt.

Im Moment denkt Heinz Rittberger nicht an den Ruhestand – wenn es so etwas in seinem Leben überhaupt jemals geben sollte. Selbst wenn er mal nicht im Laden steht, hat er immer etwas zu tun. Er ist im Kirchengemeinderat der Leonhardskirche, hält die Geschichte des Bohnenviertels wach (in seinem Wohnhaus will er ein kleines Museum eröffnen) und setzt sich für Tauben ein. Die Vögel liegen ihm schon sein Leben lang am Herzen: Als Junge hat er acht Tauben vor dem Metzger gerettet und bei sich gepflegt. Weil daraus schnell fünfzig Tiere wurden und der Junge mit dem Schwarm überfordert war, kam ihm die Idee, ihnen die Eier wegzunehmen und ihnen dafür welche aus Kalk unterzulegen.

Taubenkot ist guter Dünger für den Garten

Dieses Prinzip wendet er nun auch in den Taubenschlägen unter dem Dach der Leonhardskirche an, von denen der erste auf sein Drängen vor fünf Jahren eingerichtet worden ist. „Allein im Jahr 2013 haben wir 1482 Eier rausgeholt“, sagt Heinz Rittberger stolz. Die Population der Tiere, die von manchen boshaftig Ratten der Lüfte genannt werden, sei auf diese Weise besser zu kontrollieren. Ein positiver Nebeneffekt: „Ich habe wunderbaren Dünger für meine Sommerresidenz am Rotenberg.“

Wie viel ihm die Tiere bedeuten, wird klar, als sein Nachbar Stephan Quadt in den Laden kommt, weil er eine verletzte Taube entdeckt hat. Rittberger lässt alles stehen und liegen und geht zu dem Tier. „Hoffentlich muss die Taube nicht eingeschläfert werden“, sagt er. „Erst heute morgen sind zwei gestorben.“ Den Seifen Lenz weiß er während seines Rettungseinsatzes in guten Händen: seine Frau und Sohn Matthias kümmern sich um die Geschäfte.