Bentiu ist einer der Brennpunkte des Konflikts. Die Hauptstadt der erdölreichen Unity-Provinz wechselte seit Mitte Dezember bereits vier Mal die Seiten, jeder neue Fall der Stadt wurde von immer drastischeren Gräueltaten begleitet. Bentius schwärzeste Stunde kam, als Riek Machars Rebellen im März wieder die Kontrolle über die Stadt errangen. In der Moschee, der katholischen Kirche und dem Hospital der Stadt wurden Hunderte von Menschen massakriert, während Einpeitscher die Nuer-Bevölkerung über Radio Bentiu FM zur Jagd auf Dinka-Männer und zur Vergewaltigung ihrer Frauen aufriefen. Inzwischen sind fast alle Einwohner der Stadt in den Busch oder das UN-Lager geflohen. Dort sind sie – feinsäuberlich in Dinka und Nuer getrennt – gemeinsam dem Elend ausgeliefert.

 

Nyabuath Machar sitzt auf dem Boden vor ihrer aus Ästen und Plastikplanen zusammengebastelten Hütte. Machar lebt mit ihren acht Kindern schon seit vier Monaten im Lager, ihr Mann wurde bereits bei den ersten Unruhen im Dezember von Regierungssoldaten erschossen. Die spindeldürre Frau mit den unter den Nuer üblichen Narben im Gesicht kann weder ihr Hirsefeld bestellen noch ihre Rinder hüten. Außerhalb des UN-Camps ist dieser Tage keiner sicher. In weiten Teilen des Landes wurde vor der jetzt beginnenden Regenzeit keinerlei Saat ausgesät, weiß der UN-Beauftragte Toby Lanzer. Eine Ernte wird es nicht geben. Außerdem irren rund zehn Millionen Ziegen und Rinder herrenlos in der Gegend umher oder sind bereits im Schlamm verendet, der Viehbestand des Landes ist um 40 Prozent geschrumpft.

Im Lager gibt es Nahrungsmittelrationen

Im Lager erhält Frau Machar für sich und ihre acht Kinder immerhin 50 Kilogramm Hirse im Monat, zwei Liter Öl und ein Säckchen Bohnen. Davon kann die Familie gerade so überleben. Doch nach Angaben des Disasters Emergency Committee, einem Dachverband britischer Hilfsorganisationen, werden im Südsudan bald mehr als vier Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein. Toby Lanzer rechnet vor, dass das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen für die nächsten zwölf Monate 1,8 Milliarden Dollar benötigt, um den Bedarf an Hilfsgütern zu decken – nicht einmal die Hälfte davon ist derzeit gesichert. Angesichts mangelnder Finanzierung musste das WFP bereits seine Rationen für die Not leidende Bevölkerung reduzieren, dabei steigt die Zahl der Unterernährten drastisch an. Sie habe bereits Ausmaße wie während der Hungersnot in Somalia vor zwei Jahren angenommen, sagt Lanzer.

Thijin Dak ist neun Monate alt und wiegt nur wenig über vier Kilo. Seine spitzen Knochen drohen die faltige Haut zu durchbohren, in seiner Nase steckt ein Plastikschlauch, über den ihm Sauerstoff zugeführt wird. Thijin liegt neben seiner Mutter auf der Intensivstation des Hospitals, das Ärzte ohne Grenzen zwischen den UN-Containern und dem Flüchtlingslager eingerichtet hat. In dem weißen Mannschaftszelt liegen noch weitere 25 Kinder neben ihren Müttern auf Matratzen auf dem Boden. In dem Raum ist es still. Die Kinder haben keine Kraft mehr zum Schreien. Thijin hat die Augen weit aufgerissen und atmet flach und schnell. Außer an den Folgen der Mangelernährung leidet der Junge an einer Lungenentzündung, sein Mund ist weiß vom Pilzbefall. „Ich glaube nicht, dass er es schaffen wird“, sagt Nora Echaibi, eine holländische Krankenschwester mit marokkanischen Wurzeln, die den Noteinsatz der Ärzte ohne Grenzen leitet.

Der Ausbruch einer Cholera-Epidemie wird erwartet

Unterdessen spitzt sich die Lage der Flüchtlinge am Rand des UN-Camps weiter zu. Nur wenige verfügen über sauberes Trinkwasser, Kinder baden im Abwasserbecken des UN-Camps, der Ausbruch einer Cholera-Epidemie scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Soeben wurde die Stuhlprobe der ersten verdächtigen Erkrankten in ein Labor nach Kenia geschickt. Wird der Cholera-Verdacht bestätigt, ist das Desaster perfekt. Toby Lanzer, UN-Beauftragter für humanitäre Angelegenheiten im Südsudan, sieht eine „Katastrophe“ voraus: „Wenn wir nicht schleunigst mehr tun, werden wir entsetzliche Szenen erleben.“

Es ist der unsinnigste Konflikt der Welt. Eigentlich sollten die Südsudanesen am 9. Juli den dritten Jahrestag ihrer umjubelten Unabhängigkeit feiern. Stattdessen versinkt der jüngste Staat der Welt im Chaos. Auf die Befreiten wartet der Tod auf dem Schlachtfeld oder der Hungertod. Mehr als drei Jahrzehnte lang kämpfte die südsudanesische Befreiungsarmee SPLA für ein Ende der Unterdrückung der christlich afrikanischen Bevölkerung durch die von arabischen Muslimen dominierte Regierung in Khartoum. Ihr Kampf war schließlich erfolgreich, doch jetzt bringen sich die ehemaligen Waffenbrüder gegenseitig um. Ein Konflikt um die Führung des Landes zwischen Präsident Salva Kiir und dessen einstigem Stellvertreter Riek Machar eskalierte vergangenes Jahr in einem blutigen Bruderkrieg: Seitdem bekämpfen sich Angehörige der beiden größten Volksstämme des Landes – Salva Kiirs Dinka und Riek Machars Nuer.

Fast alle Einwohner von Bentiu sind geflohen

Bentiu ist einer der Brennpunkte des Konflikts. Die Hauptstadt der erdölreichen Unity-Provinz wechselte seit Mitte Dezember bereits vier Mal die Seiten, jeder neue Fall der Stadt wurde von immer drastischeren Gräueltaten begleitet. Bentius schwärzeste Stunde kam, als Riek Machars Rebellen im März wieder die Kontrolle über die Stadt errangen. In der Moschee, der katholischen Kirche und dem Hospital der Stadt wurden Hunderte von Menschen massakriert, während Einpeitscher die Nuer-Bevölkerung über Radio Bentiu FM zur Jagd auf Dinka-Männer und zur Vergewaltigung ihrer Frauen aufriefen. Inzwischen sind fast alle Einwohner der Stadt in den Busch oder das UN-Lager geflohen. Dort sind sie – feinsäuberlich in Dinka und Nuer getrennt – gemeinsam dem Elend ausgeliefert.

Nyabuath Machar sitzt auf dem Boden vor ihrer aus Ästen und Plastikplanen zusammengebastelten Hütte. Machar lebt mit ihren acht Kindern schon seit vier Monaten im Lager, ihr Mann wurde bereits bei den ersten Unruhen im Dezember von Regierungssoldaten erschossen. Die spindeldürre Frau mit den unter den Nuer üblichen Narben im Gesicht kann weder ihr Hirsefeld bestellen noch ihre Rinder hüten. Außerhalb des UN-Camps ist dieser Tage keiner sicher. In weiten Teilen des Landes wurde vor der jetzt beginnenden Regenzeit keinerlei Saat ausgesät, weiß der UN-Beauftragte Toby Lanzer. Eine Ernte wird es nicht geben. Außerdem irren rund zehn Millionen Ziegen und Rinder herrenlos in der Gegend umher oder sind bereits im Schlamm verendet, der Viehbestand des Landes ist um 40 Prozent geschrumpft.

Im Lager gibt es Nahrungsmittelrationen

Im Lager erhält Frau Machar für sich und ihre acht Kinder immerhin 50 Kilogramm Hirse im Monat, zwei Liter Öl und ein Säckchen Bohnen. Davon kann die Familie gerade so überleben. Doch nach Angaben des Disasters Emergency Committee, einem Dachverband britischer Hilfsorganisationen, werden im Südsudan bald mehr als vier Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein. Toby Lanzer rechnet vor, dass das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen für die nächsten zwölf Monate 1,8 Milliarden Dollar benötigt, um den Bedarf an Hilfsgütern zu decken – nicht einmal die Hälfte davon ist derzeit gesichert. Angesichts mangelnder Finanzierung musste das WFP bereits seine Rationen für die Not leidende Bevölkerung reduzieren, dabei steigt die Zahl der Unterernährten drastisch an. Sie habe bereits Ausmaße wie während der Hungersnot in Somalia vor zwei Jahren angenommen, sagt Lanzer.

Thijin Dak ist neun Monate alt und wiegt nur wenig über vier Kilo. Seine spitzen Knochen drohen die faltige Haut zu durchbohren, in seiner Nase steckt ein Plastikschlauch, über den ihm Sauerstoff zugeführt wird. Thijin liegt neben seiner Mutter auf der Intensivstation des Hospitals, das Ärzte ohne Grenzen zwischen den UN-Containern und dem Flüchtlingslager eingerichtet hat. In dem weißen Mannschaftszelt liegen noch weitere 25 Kinder neben ihren Müttern auf Matratzen auf dem Boden. In dem Raum ist es still. Die Kinder haben keine Kraft mehr zum Schreien. Thijin hat die Augen weit aufgerissen und atmet flach und schnell. Außer an den Folgen der Mangelernährung leidet der Junge an einer Lungenentzündung, sein Mund ist weiß vom Pilzbefall. „Ich glaube nicht, dass er es schaffen wird“, sagt Nora Echaibi, eine holländische Krankenschwester mit marokkanischen Wurzeln, die den Noteinsatz der Ärzte ohne Grenzen leitet.

„Ein Skandal“, sagt die holländische Krankenschwester

Am Ende des Zelts schreit eine Frau auf – soeben ist ihr Kind gestorben. In den sechs Wochen, die Nora Echaibi hier arbeitet, hat sie das mehr als hundert Mal erlebt. „Ich darf gar nicht daran denken, wie viele Kinder ich schon sterben gesehen habe“, sagt die in Den Haag ausgebildete Kinderkrankenschwester: „Es ist ein Skandal.“ Dass die 39-jährige Helferin noch nicht völlig verzweifelt ist, liegt an dem Zelt neben der Intensivstation. Dort sind die geretteten Kinder untergebracht. Die Stimmung in dieser Station ist fröhlich. Die Kinder schreien oder spielen, ihre Mütter reden miteinander. Nora Echaibi schäkert mit einem zweijährigen Jungen, den sie ihren „kleinen Prinzen“ nennt. Der dem Tod entronnene Junge strahlt die Krankenschwester an. In den vergangenen Tagen ist es der Hilfsorganisation gelungen, die Todesrate unter den Kindern etwas zu drücken.

Wie sich die Situation im Südsudan weiterentwickle, hänge von den Konfliktparteien ab, sagt Toby Lanzer. Wichtigste Bedingung sei, dass die Kämpfe endeten. Doch der dritte und jüngste Versuch, eine Waffenruhe auszuhandeln, ist eben erst in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gescheitert. Unverrichteter Dinge reisten die Delegationen der Regierung und der Rebellen wieder ab.