Das Präventionsprogramm Team-Mex, das junge Menschen vor Radikalisierung jeglicher Art schützen möchte, wird eingestellt. Im Landeshaushalt ist dafür kein Geld mehr vorgesehen. Dabei ziehen auch junge Menschen aus Stuttgart in den Dschihad.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Junge Menschen aus Deutschland ziehen in den Dschihad und setzen ihr Leben in Syrien aufs Spiel: Nahezu täglich werden neue Berichte dieser Art bekannt. Auch aus Stuttgart sind schon junge Männer in den Tod gegangen, in der festen Überzeugung, in einem „Heiligen Krieg“ zu kämpfen, wenn sie für die Sache des Islamischen Staats (IS) in den Kampf ziehen. Angesichts dieser Nachrichten hat der Inte-grationsbeauftragte Gari Pavkovic in der jüngsten Sitzung des Internationalen Ausschusses darauf aufmerksam gemacht, dass es dringend notwendig ist, junge Menschen vor diesem Schritt in die kriegerische Zukunft zu bewahren. Pavkovic beklagte auch, dass das Präventionsprogramm Team-Mex der Landeszentrale für politische Bildung, das die Hinwendung junger Menschen zu verschiedenen Arten des Extremismus durch Aufklärungsarbeit abwenden soll, zum Jahresende eingestellt wird – aus Sicht des Integrationsbeauftragten war es geeignet, Menschen im Umfeld gefährdeter Jugendlicher zu sensibilisieren.

 

„Es stimmt, dass dieses Programm zu Ende geht“, bestätigt der Projektbetreuer Felix Steinbrenner von der Landeszentrale für politische Bildung. Team-Mex läuft seit dem Jahr 2008 mit Mitteln der Baden-Württemberg-Stiftung. Urspünglich war eine Projektförderung durch die Landesstiftung für das Modellprojekt Team-Mex nur für drei Jahre vorgesehen. Dann wurde eine Verlängerung der Finanzierung mit Stiftungsmitteln um weitere drei Jahre genehmigt. „Man hat vor dem Hintergrund des NSU-Skandals festgestellt, dass es weiterhin Bedarf gibt, und die Projektzeit verlängert“, so Steinbrenner.

Die Nachfrage nach Veranstaltungen zu Islamismus steigt

„Die verschiedenen Themen haben immer ihre Konjunkturzeiten“, fügt der Projektbetreuer hinzu. Seit der IS in Syrien seinen Kampf verstärkt hat und Krieger aus Deutschland angeworben werden, steige auch die Nachfrage nach Veranstaltungen zu islamistischem Extremismus. Was die Veranstaltungen konkret bewirken, sei nicht messbar. „So ist das nun mal bei Prävention, man weiß ja nie, was man verhindert hat“, sagt Steinbrenner. Die Nachfrage sei aber ein eindeutiges Indiz dafür, dass es bei den Bürgern einen großen Bedarf gebe.

Wie man erkennen kann, wenn jemand sich radikalisiert, weiß der Verfassungsschutz. „Wenn ein Mann einer Frau zum Beispiel nicht mehr die Hand gibt oder Hosen trägt, die über dem Knöchel enden, ein Erkennungszeichen der Salafisten“, sagt Ilker Vidinlioglu, Sprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz. Auch ein langer Bart bei Männern oder das Tragen einer Niqab, der Vollverschleierung mit Sehschlitz bei Frauen, seien derlei Anzeichen. „Man muss allerdings immer auch aufpassen: Das sind alles auch äußerliche Merkmale, die sehr konservative Moslems haben und tragen können. Nicht jeder ist gleich ein Extremist, nur weil er eine zu kurze Hose anhat“, mahnt er vor Vorverurteilungen.

„Wir müssen viel dafür tun, damit die Begriffe Islam und Islamismus voneinander abgegrenzt werden“, sagt der Team-Mex-Referent Heval Demirdögen. Auch habe er sich immer wieder stark gegen die Islamophobie und antimuslimische Stimmungsmache gemacht. „Wir wollen vermitteln, wie man einem Fall von Radikalisierung im Umfeld nicht ohnmächtig gegenübersteht“, sagt Demirdögan. Der 35-Jährige rät, etwa Team-Mex-Experten oder einen Gelehrten aus einer Moschee, vielleicht auch den Verfassungsschutz, hinzuzuziehen. „Pädagogen brauchen dringend eine dauerhafte Beratungsstelle“, sagt Demirdlgen. Denn im Schulalltag gelinge es nicht, Jugendliche aus einem radikalisierten Umfeld zu lösen. Ähnlich wie es das Landesnetzwerk gegen Rechtsextremismus gibt, seien auch bei anderen Formen extremer Radikalisierung entsprechende Netzwerke wünschenswert. Seine Kollegin Friederike Hartl geht davon aus, dass im vom Bund geförderten Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, das vom 1. Januar 2015 an laufen wird, auch das Thema Salafismus einen Platz haben wird. Im Rahmen von Team-Mex habe sie bis Ende des vergangenen Jahres nur Fortbildungen für Multiplikatoren zum Thema Islamismus angeboten, 2014 habe es eine Testphase gegeben, um „nicht über Rechtsextremismus, sondern allgemein gegen menschenverachtende Einstellungen“ vorzugehen, so die 33-jährige Referentin.

Kein Geld im Landeshaushalt

Noch haben die Verantwortlichen in der Landeszentrale für politische Bildung die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie ihr Projekt in den kommenden Jahren weiterführen können. Im Regierungsentwurf des Landeshaushalts ist dafür aber kein Geld vorgesehen. Da die Landeszentrale für politische Bildung aber dem Landtag unterstellt ist, besteht offenbar Hoffnung, dass Abgeordnete noch einen entsprechenden Antrag stellen.

Nicht nur die Prävention ist eine Frage, der sich die Gesellschaft stellen muss. Es wird auch darum gehen, rechtzeitig junge Leute, die für die Radikalisierung anfällig sind, zu erkennen und zum Ausstieg zu bewegen. „Die Sicherheitsbehörden des Landes sind sich dieser Problematik bewusst. Wir sind auf der Suche nach geeigneten Programmen“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. In der Prävention ist das Projekt Team-Mex ein Beispiel dafür, dass sich Tendenzen verschiedener Radikalisierungen – Rechtsextremismus und Islamismus – in einer Hand bearbeiten lassen.

Noch gibt es kein Projekt, das sich gezielt Aussteigern und Heimkehrern mit Kriegserfahrung und Terrortraining widmet. Für ausstiegswillige Rechtsextreme besteht das Programm Big Rex, das den jungen Leuten, betreut von LKA-Beamten, einen Neuanfang ermöglicht.