Der neue Verwaltungsratschef Arnaud Lagardère bleibt dem Aktionärstreffen der EADS fern und verursacht damit einen Eklat.

Amsterdam - Ein leerer Stuhl und betretene Gesichter: Der Führungswechsel bei Europas größtem Luft- und Raumfahrtkonzern EADS ist von einem handfesten Eklat überschattet worden. Ausgerechnet der künftige Chefkontrolleur Arnaud Lagardère schwänzte die Hauptversammlung in Amsterdam. Er hatte Wichtigeres zu tun, als seiner Wahl beizuwohnen, die im Anschluss an das Aktionärstreffen bei der Sitzung des neu ernannten Verwaltungsrats stattfand. Journalisten ließ der schillernde Franzose ausrichten, er wolle dem Vorgänger Bodo Uebber nicht die Show stehlen.

 

Genau das tat er jedoch mit seinem überraschenden Fernbleiben. Seit Monaten steht der Wechsel des Vorstands- und Verwaltungsratsvorsitzes fest. Durch die Absage Lagardères wurde die Stabübergabe an der Vorstandsspitze fast zur nebensächlichen Formalie. Dem neuen Chef Thomas Enders und seinem Vorgänger Louis Gallois blieb nichts anders übrig, als die Peinlichkeit mit einem Lächeln zu überspielen. Auch Daimler-Finanzchef Bodo Uebber – der das „entschuldigte Fernbleiben“ Lagardères verkündete – hatte sich wohl eine andere Amtsübergabe gewünscht.

„Fünf ereignisreiche Jahren“

Der 52 Jahre alte Deutsche war in den vergangenen drei Jahren als EADS-Verwaltungsratschef der Chefkontrolleur des Riesenkonzerns. Uebber, der Mitglied des Verwaltungsrats bleibt, sprach von „fünf ereignisreichen Jahren“. Im Hinblick auf die Herausforderungen des Konzerns sagte er: „Wir müssen wachsam bleiben.“ Er dankte Gallois. „Du wirst immer ein Teil der EADS-Familie bleiben“, sagte Uebber.

Von heute an leitet der 53-jährige Deutsche Thomas Enders den europäischen Raumfahrtkonzern. Der 68-jährige Gallois lobte Enders. Dieser habe in den vergangenen fünf Jahren die wichtigste Konzerntochter Airbus erfolgreich geleitet, sagte Gallois. Mit „neuen Ideen und Visionen“ übernehme Enders nun die Konzernführung. „Es war mir eine Ehre, für so viele Jahre dem Unternehmen zu dienen“, sagte der Franzose. „Wir haben es geschafft, EADS durch unruhige Zeiten zu lenken.“ Vorstände und Aktionäre applaudierten Gallois nach seiner letzten Rede als Konzernchef. Der frühere Chef der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF hatte im Jahr 2006 den Vorstandsvorsitz von Noël Forgeard übernommen und den Konzern für ein Jahr gemeinsam mit Enders geführt. Ein Jahr später wurde die Doppelspitze aufgelöst und der Deutsche wurde Chef von Airbus.

Enders bezeichnete es auf der Hauptversammlung als „Ehre, in die großen Fußstapfen von Louis Gallois zu treten“. Gallois habe „das Unternehmen zu dem gemacht, was es heute ist“. Enders kündigte an, dass EADS unter seiner Führung weiter wachsen werde. Gallois konnte sich mit Rekordzahlen verabschieden. Der EADS-Nettogewinn stieg 2011 um 87 Prozent auf 1,03 Milliarden Euro. Der Konzernumsatz erhöhte sich um sieben Prozent auf 49,1 Milliarden Euro. Airbus verzeichnete im vergangenen Jahr mit 1608 Neubestellungen das beste Jahr seiner Geschichte.

Fabrice Brégier wird Nachfolger

Auch der Start ins neue Jahr fiel trotz der Belastungen durch die Haarrisse beim Großraumflugzeug A380 besser aus. Der Nettogewinn lag im ersten Quartal bei 133 Millionen Euro. Vor einem Jahr hatte EADS noch einen Verlust verbucht.

Neuer Airbus-Chef wird ein Landsmann von Gallois: der 50-jährige Fabrice Brégier, der bisher im Airbus-Vorstand für das operative Geschäft zuständig war. In den Verwaltungsrat, in dem auch der indische Stahlunternehmer Lakshmi Mittal sitzt, wurde außerdem der langjährige Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, gewählt. Da EADS vor allem von Frankreich und Deutschland kontrolliert wird, werden die wichtigsten Posten auf die beiden Nationen verteilt.

Lagardère wird Verwaltungsratschef, weil 2003 den größten französischen Medienkonzern von seinem Vater Jean-Luc geerbt hat, der zugleich 7,5 Prozent an EADS hält. Dieses schwergewichtige Anteilspaket sowie eine komplexes deutsch-französisches Machtverteilungssystem sicherte ihm jetzt den Top-Posten. Kritiker verweisen vor allem darauf, dass Lagardère bereits mehrfach betont hat, sich mittelfristig von seiner 7,5-prozentigen Beteiligung an dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern trennen zu wollen. Dieser Entschluss stehe allerdings keineswegs im Widerspruch zu seinem Führungsanspruch im EADS-Verwaltungsrat, betont Lagardère immer wieder. Der Rückzug werde nicht vor der erfolgreichen Einführung des neuen Airbus-Langstreckenflugzeugs A350 erfolgen. Als Nachfolger für Lagardère wird bereits Claude Trichet gehandelt.