Sebastian Manz, Soloklarinettist beim SWR-Symphonieorchester, ist mit dem Echo Klassik ausgezeichnet worden.

Stuttgart - Eigentlich wollte er zwei Wochen auf seiner Lieblingsinsel Langeoog bleiben und dann direkt nach Samos fliegen. Aber dann kamen doch noch ein paar Auftritte dazwischen. „Kurzfristig“, sagt Sebastian Manz, der statt Ferien dann erst mal Musik machte. Zunächst in Rostock, dann in Berlin, und schließlich in Hamburg, wo er Mozarts Klarinettenkonzert in der Elbphilharmonie spielte.

 

Gestresst wirkt er dennoch gar nicht bei unserem Gespräch auf einer Hotelterrasse in Pythagorion, einem Küstenstädtchen auf der griechischen Insel Samos, wo Sebastian Manz am Vorabend ein Konzert im Rahmen des Samos Young Artists Festival gespielt hat. Das mag vielleicht auch etwas an den angenehmen Temperaturen an diesem späten Vormittag und dem Meerblick liegen. Aber Manz, das wird schnell klar, liebt ganz einfach, was er tut. Im Sommer, wenn andere Orchestermusiker gern mal eine Auszeit vom Instrument nehmen, reist er lieber von einem Festival zum nächsten und hängt, wenn es passt, an die Konzerte halt noch ein paar Urlaubstage dran. Eine Woche Ostfriesland, dann Griechenland – „das ist doch wunderbar“, sagt Manz. „Das ist das, wofür wir Musiker leben“.

In der Regel engagieren Veranstalter den Klarinettisten nach Auftritten gleich wieder

Bei vielen Festivals ist er seit Jahren Stammgast. Und dass ihn Veranstalter in der Regel nach einem Auftritt wieder engagieren, dürfte auch damit zu tun haben, dass sich von seiner Musizierlust in der Regel auch das Publikum anstecken lässt. Auf Samos, wo jedes Jahr Anfang August junge Musiker aus aller Welt abends unter freiem Himmel Konzerte spielen, machte er Kammermusik mit einem russischen Flötisten und einer türkischen Pianistin, das Publikum feierte die drei am Ende frenetisch. Was wohl auch an der Zugabe lag, einem schrägen Medley aus russischen Gassenhauern, bei dem Manz zeigte, dass er nicht nur ein Virtuose ist, sondern auch in unterschiedlichen Stilen zuhause.

Denn auch wenn er das ganze klassische Repertoire bis zur Moderne beherrscht, so entspricht er doch gar nicht dem Klischee vom steifen E-Musiker. Sebastian Manz kann klezmermäßig auf der Klarinette rotzen und ist ein exzellenter Improvisator, er hatte, wie er sagt, auch mal eine Hip-Hop-Phase und hört derzeit am liebsten Elektroswing, eine Art mit Beats und Loops angereicherter Retrojazz. Nach allen Seiten offen sein, wissbegierig; nicht stehen bleiben, auch wenn man schon etwas erreicht hat - das ist ihm wichtig. Und Sebastian Manz hat einiges erreicht. Drei Mal gewann er einen Echo-Klassik, neun CDs hat er mittlerweile eingespielt. Doch vor allem der Gewinn des renommierten ARD-Wettbewerbs war es, der ihm 2010 viele Türen öffnete. Vierzig Jahre lang war der erste Preis im Fach Klarinette nicht vergeben worden, Sebastian Manz gewann dazu noch den Publikumspreis und diverse Sonderpreise. Ein Jahr zuvor hatte er schon mit seinem Klavierpartner Martin Klett den Deutschen Musikwettbewerb gewonnen.

Mit sechs Jahren sang Manz im Knabenchor Hannover

Erfolge, die nicht von ungefähr kommen. Denn neben Talent, ohne das es nicht geht, kamen in seinem Fall einige Faktoren glücklich zusammen. Aufgewachsen in Hannover in einer Musikerfamilie (beide Eltern sind Pianisten), sang Sebastian schon mit sechs Jahren im Knabenchor Hannover, wo er schon mal einiges über Atemtechnik und Stilistik lernte. Er lernte früh Klavier, mit sieben dann begann er mit der Klarinette. Musisches Gymnasium bis zur elften Klasse, dann – die Familie war mittlerweile nach Nürnberg gezogen – ging es zum Studium nach Lübeck bei Sabine Meyer, der weltberühmten Klarinettistin, die ihn schon als Zehnjährigen unterrichtet hatte.

Dass es dazu kam, ist wiederum einem Zufall zu verdanken, der Sebastian Manz’ Karriere möglicherweise entscheidend beförderte. Bei einem Kurs, den Sabine Meyer in Braunschweig gab, wurde kurzfristig ein Platz frei, über einen Bekannten kam dann die Anfrage an Familie Manz, ob ihr begabter Sohn nicht einspringen wollte. Der war erst mal skeptisch. „Doch als meine Mutter sagte, wenn Du dich anstrengst, bekommst Du einen Gameboy, war mein Widerstand gebrochen.“ Der kleine Sebastian muss einen guten Eindruck gemacht haben. Denn einige Tage später rief Sabine Meyer an mit dem Angebot, ihn ein Jahr kostenlos zu unterrichten und auf die Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Seiner Mutter, so erzählt er, „fiel die Kinnlade runter“. Mit 17 verließ er die Schule und begann mit dem Studium, ohne Abitur. Eine Entscheidung, die ihm damals schwerfiel, die er im Rückblick aber als entscheidend für seine Karriere betrachtet. „Mit 22 gewann ich den ARD-Wettbewerb, da hatte ich schon fünf Jahre studiert. Das wäre sonst nicht möglich gewesen.“

Mit dem SWR-Symphonieorchester will Sebastian Manz „wieder an der Weltspitze mitmischen“

Heute läuft es gut bei dem 31-Jährigen. Sein Konzertkalender ist gefüllt, er wird als Solist von Orchestern auf der ganzen Welt gebucht, macht Kammermusik mit verschiedenen Ensembles, und das alles neben seiner Stelle als Soloklarinettist, die er seit 2010 beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart (RSO) und jetzt auch beim SWR-Symphonieorchester innehat. Zuvor war er ein Jahr stellvertretender Soloklarinettist am Lübecker Theater, in diese Zeit fiel auch der erste Kontakt mit dem RSO. Erst bei einem Preisträgerkonzert, dann spielte er zweimal als Aushilfe, und obwohl er auch mit dem NDR-Sinfonieorchester verhandelte, nahm er das Angebot aus Stuttgart an, dort festes Mitglied zu werden. Die Hamburger ließen sich Zeit, in Stuttgart habe man ihm schnell signalisiert: Wir wollen dich haben. Das gefiel ihm.

Hätte er damals schon gewusst, dass die SWR-Orchester fusioniert würden, dann hätte er vielleicht gezögert. Aber wie auch immer: Auch wenn die die Motivation der Musiker angesichts der drohenden Auflösung im Keller war, so gehe es doch jetzt wieder aufwärts. Es sei „eine extrem spannende Zeit“, sagt Manz, man habe einen „guten Lauf“, zu dem er auch die die Verpflichtung von Teodor Currentzis zählt, in den man große Hoffnungen setzt. Dass der Neue polarisiert, als schwierig gilt, sieht er gerade als Chance, denn Kompromisse habe man lange genug gemacht. „Wir wollen wieder an der Weltspitze mitmischen, und da muss man auch mal Tacheles reden.“

Was er von sich selbst verlangt, erwartet er auch von seinem Orchester – wobei man sich im Verlauf des Gesprächs fragt, ob es eigentlich noch etwas gibt, was diesen immer noch recht jungen Allroundkönner ernstlich in Verlegenheit bringen kann. Ist er manchmal noch nervös? Ja, sagt er, bei Stücken, die er noch nie öffentlich gespielt hat. Sein Rezept dagegen: richtig Atmen, viel Sport. Und vor dem Konzert eine Banane mit Buttermilch. „Das erdet.“