Viele Enthüllungen wären ohne mutige Hinweisgeber nicht bekannt. Häufig müssten sie jedoch mindestens um ihre Karriere fürchten, sagt die EU-Kommission. Neue Vorschläge sollen das ändern.

Brüssel - Facebook-Datenskandal, Panama Papers oder Luxleaks: Hinweisgeber solcher Missstände sollen in Europa künftig besser geschützt werden. „Es sollte keine Strafe dafür geben, das Richtige zu tun“, sagte der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, bei der Vorstellung eines entsprechenden Gesetzesvorschlags am Montag in Brüssel.

 

Mit den Plänen für EU-weite Mindeststandards reagiert die Kommission eigenen Angaben zufolge auf mehrere Enthüllungen von Misständen, die dem öffentlichen Interesse der gesamten EU geschadet haben. „Viele vergangene Skandale wären nie ans Licht gekommen, wenn Insider nicht den Mut gehabt hätten, ihre Stimme zu erheben“, sagte Timmermans. Diese riskierten jedoch ihre Karriere und müssten sogar gesundheitlichen Schaden fürchten.

Die EU-Kommission betonte, der Entwurf schütze auch die Quellen investigativer Journalisten. „Das schulden wir den Journalisten, die ihr Leben verloren haben, weil sie zu tief gebohrt haben“, sagte EU-Justizkommissarin Vera Jourova und nannte die Journalisten Daphne Caruana Galizia aus Malta und den Slowaken Jan Kuciak, die zuletzt getötet worden waren.

Unternehmen sollen Meldestelle einrichten

Nach den neuen Plänen soll das Melden von Handlungen, die gegen EU-Gesetz verstoßen, vereinheitlicht werden. Zunächst ist ein interner Beschwerdeweg vorgesehen. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Millionen Euro müssen eine Meldestelle einrichten, an die sich Angestellte in der Regel zuerst wenden müssen.

Erst im zweiten Schritt sollen sie sich an staatliche Behörden wenden, die ebenfalls entsprechende Kanäle einrichten müssen. Innerhalb von drei Monaten - in Ausnahmen sechs - muss dem Hinweisegeber eine Rückmeldung zum Verfahrensstand gegeben werden. Geschieht dies nicht, kann er sich an die Öffentlichkeit - etwa an Journalisten - werden. Diese Möglichkeit besteht auch dann, wenn das öffentliche Interesse gefährdet ist.

Der Whistleblower selbst soll nach den EU-Plänen vor einer möglichen Vergeltung seines Arbeitgebers geschützt werden. Entlassungen und andere Schikanen sollen ausgesetzt werden, bis ein Gerichtsverfahren beendet ist, die Beweislast wird umgekehrt: Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass eine Kündigung nicht mit den Enthüllungen des Angestellten in Verbindung steht.

Facebook-Datenskandal gilt als beispielhaft

Den Begriff Whistleblower definiert die EU-Kommission weit. So fallen nicht nur Angestellte, sondern etwa auch Freiberufler, Zulieferer oder unbezahlte Praktikanten darunter. Das Gesetz soll etwa bei Verstößen im Bereich der Finanzdienstleistungen, des Umweltschutzes und des Verbraucherschutzes angewendet werden.

Den Datenskandal um Facebook und Cambridge Analytica bezeichnet die Brüsseler Behörde als beispielhaft für den Stellenwert von Whistleblowern. Von dem Datenleck, das durch den Informanten Christopher Wylie öffentlich wurde, sind nach Facebook-Angaben bis zu 87 Millionen Nutzer betroffen.

Aus dem Europaparlament kamen positive Reaktionen auf den Entwurf aus Brüssel: Grünen-Politiker Sven Giegold sieht einen „Durchbruch für den Schutz von Whistleblowern in Europa“. Nun müsse sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass er auch umgesetzt werde. Zudem müsse der Schutz von Whistleblowern auch im deutschen Recht verankert werden. „Der Druck des Europaparlaments hat sich gelohnt“, sagte SPD-Politikerin Sylvia-Yvonne Kaufmann.

Bevor die neue Richtlinie Gesetz wird, müssen die EU-Staaten und das Europaparlament ihr noch zustimmen.