Das Stuttgarter Forum-Theater bringt Theodor Fontanes Roman „Effi Briest“ auf die Bühne. Martina Guse und Udo Rau absolvieren einen Parforceritt.

Stuttgart - Haben Sie schon mal?“ „Mussten Sie etwa?“ „Ach, noch nie?“ „Na dann.“ Es geht um die Lektüre von Theodor Fontanes Roman „Effi Briest“, und die, die das fragen, werden gleich einen Schnelldurchlauf durch diesen Klassiker präsentieren. Martina Guse, Jahrgang 1962, spielt die siebzehnjährige Effi, ist gleichzeitig aber auch Erzählerin, gibt die Freundinnen und die Mutter von Effi. Udo Rau ist ebenfalls Erzähler, spielt aber auch den Baron Instetten, mit dem sich die junge Effi vermählt, den Major Crampas, mit dem sie eine verhängnisvolle Affäre hat, eine alte Adelige, die sich das Maul über die Unschicklichkeit der jungen Leute zerreißt, den Apotheker Grieshübler, den alten Briest, Effis Vater . . .  Ein weites Feld also, wie es eben dieser alte Briest immer wieder formuliert.

 

Es ist ein Parforceritt, den Martina Guse und Udo Rau da am vergangenen Samstag bei der Premiere im Forum-Theater absolvieren. Den Roman von der Aufsteigerin, die von den Konventionen zerrieben wird, hat Karin Eppler für die Bühne bearbeitet und auch inszeniert. Dass die Schauspieler zwischen Erzählerstimme und Rolle hin- und herspringen macht es überhaupt erst möglich, den Roman als Neunzig-Minuten-Stück zu zeigen. Allerdings: Guse und Rau spielen ihre Figuren oft nur an und selten aus. Kulissenwechsel gibt es nicht, die Bühne mit dem zentralen Motiv der Schaukel, die mal Bett, mal Fensterbank sein kann, ist karg.

Als junge Effi ist Martina Guse wenig überzeugend, mehr überdreht als übermütig. Wenn sie aber mit ihren Freundinnen spricht und diesen ihre Stimme leiht, funktioniert die Aufsplittung ziemlich gut. Oder wenn Effi ihre Antrittsbesuche zu absolvieren hat, bei „mittelmäßigen Menschen von zweifelhafter Liebenswürdigkeit“ und man den Grad der Blasiertheit der preußischen Adels an Effis Gesichtsausdruck ablesen kann. Als Eltern der unglücklichen Aufsteigerin, die aus der Ferne die Entwicklung ihrer Tochter kommentieren, da sind Guse und der seine Hände in die imaginären Westentaschen steckende Rau am besten.

Das Tempo zieht nach dem Fehltritt – der wie bei Fontane nicht explizit gezeigt wird – noch einmal an. Das tut der Inszenierung nicht gut. Fakten, Fakten, Fakten prasseln auf die Zuschauer nieder. Wenn dann etwa Effi mit ihrer Tochter spricht, die ihr der Baron drei Jahre lang vorenthalten hat, ist von der Beklommenheit dieser Situation nichts zu spüren. „Haben Sie schon mal?“ Wer das verneinen muss, wer den Roman nicht kennt, bekommt in dieser Bühnenfassung zwar eine Ahnung von Fontanes feiner Ironie vermittelt und weiß auch über das eng geschnürte gesellschaftliche Korsett des 19. Jahrhunderts Bescheid. Einen mitreißenden Theaterabend haben die Zuschauer aber nicht erlebt, egal, wie belesen sie gekommen sind.