Die Tanzikone Egon Madsen, einst beteiligt am „Stuttgarter Ballettwunder“, nimmt Abschied von „Don Q.“ im Theaterhaus.

Stuttgart - - Nach sechs Jahren und vier Monaten ist am 15. Januar Schluss für „Don Q.“ im Theaterhaus. Die „nicht immer getanzte Revue über den Verlust der Wirklichkeit“ nach Cervantes „Don Quijote“ schuf der Züricher Ballettchef Christian Spuck für Eric Gauthier und Egon Madsen.
Am Mittwoch fällt der letzte Vorhang für „Don Q.“. Erinnern Sie sich an das erste Mal?
Das war am 6. September 2007. Die Premiere fand kurz nach meinem 65. Geburtstag am 24. August statt. Nach der Probe sagte Christian Spuck, dass wir nun im Restaurant Korrekturen durcharbeiten müssten. Das fand ich eigenartig. Aber er war der Choreograf. Dort traf ich dann viele alte Freunde und meine Frau – bei einer Überraschungsparty für mich.
Haben Sie genug von „Don Q.“?
Nein, ich liebe dieses Stück wie Eric. Doch wenn ich etwas nicht hundertprozentig machen kann, mache ich es gar nicht. Seit ich mir zu Ostern in einer „Don Q.“-Vorstellung einen Muskelriss zuzog, funktionieren meine Beine etwas anders. Es geht wieder, aber man sollte aufhören, bevor es schlecht läuft. Man muss als Künstler loslassen und umschalten können. Keiner hätte anfangs gedacht, dass wir 77-mal „Don Q.“ geben würden. Eine schöne Schnapszahl! Ich bin nun 71 Jahre alt. Das passt zum Finale.
Wie war es damals, mit Spuck zu arbeiten?
Als Eric ihn fragte, ob er ein Stück für uns beide kreieren würde, war er Feuer und Flamme. Die Zusammenarbeit war wunderbar und intensiv: Wie lebten quasi Tag und Nacht in einem kleinen Proberaum, haben die Möbel, die später auf die Bühne kamen, genutzt und verrückt. Dabei konnten auch mal Spannungen aufkommen. Die waren aber wichtig für das Stück.
Lieben Sie darum „Don Q.“?
Es enthält viele Momente und Details, geschaffen für ältere Protagonisten mit Erfahrung und Reife. Alt und Jung müssen im Chaos einer Wohngemeinschaft miteinander umgehen. Das ist in Zeiten des demografischen Wandels ein hochaktuelles Thema und psychologisch wie gruppendynamisch höchst spannend. Ich liebe den hintergründigen Humor. Humor muss Gedanken auslösen. Und es geht um Respekt, den letztlich der Junge dem Alten entgegenbringt – wie auch umgekehrt. Die Vorstellung, dass die Alten nicht mehr können, wird langsam in der Gesellschaft revidiert. Die Reife und Erfahrung Älterer wird wieder geschätzt.
Arbeiten Sie deshalb gerne als Coach im Bereich Tanz?
Ich will mein Wissen nicht für mich behalten. Das wird zunehmend gefragt. Ich bleibe Coach bei Gauthier Dance. Derzeit bin ich auch beim Ballett der Opéra du Rhin in Straßburg tätig. Davor war ich in Perth beim West Australian Ballet, um die Rolle des Lenski aus „Onegin“ – ich tanzte als Erster den Part beim Stuttgarter Ballett – zu coachen. Eine tolle Erfahrung!
Haben sich die Zeiten im Blick auf Ihre Karriere geändert?
Ich hatte viel Glück, konnte mit vielen großen Choreografen arbeiten. Cranko etwa ließ Tänzer improvisieren und nahm dies auf. Ich versuche die heute – oft jüngeren – Choreografen anzuregen, in ihren Gedanken tiefer und nicht nur auf Nummer sicher zu gehen. Jeder hat seine Idee und sein Schrittvokabular. Dennoch muss man das tänzerische Potenzial seines Gegenübers sehen. Durch die digitalen Techniken ist die Welt virtueller geworden. Man hat weniger persönlichen Kontakt. Gemeinsamer Gedankenaustausch, Erarbeiten und Diskutieren sind aber wichtig – und bei Tänzern der körperliche Kontakt.
Für was nehmen Sie sich künftig Zeit?
Für meine Familie, den Garten, das Haus. Meine Frau und ich wollen mehr reisen, das Leben zu zweit genießen. Zudem gebe ich im Mai im Theaterhaus mit der Sängerin Gitte Haenning „Love Letters“, den Broadwayerfolg von Albert Ramsdell Gurney. Der Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier hat das Stück und Gitte als meine Partnerin ausgesucht.
Werden Sie mehr schauspielern?
Ein reizvoller Gedanke, mal sehen. Schon als junger Tänzer war mir das schauspielerische Potenzial einer Rolle wichtig. Technik ist nur eine Seite der Medaille. Wichtiger ist, etwas rüberzubringen und Emotionen auszulösen. Mich reizen Rollen, die ich als Künstler bearbeiten kann. Wenn ich allein mit Dastehen die Zuschauer fasziniere, dann habe ich mein Ziel erreicht. Auch das will ich jungen Tänzern weitergeben: Wenn du deinen Körper kennst, kannst du viel mehr machen.