Haben auch Salafisten ein Recht auf Missionierung?
Korane zu verteilen ist in Ordnung, darauf haben sie ein Recht. Verfassungsfeindliche Propaganda ist dagegen zu verurteilen. Wir haben Gesetze gegen Hassrede und Volksverhetzung. Religionsfreiheit ist kein Titel für Hasspropaganda. Aber die Schwelle ist hoch. Das Strafrecht hat eine begrenzte Fähigkeit in der Bekämpfung von Hasspropaganda. Dort, wo es angebracht ist, muss es zugreifen.
Die Stadt Nürtingen will einen Dialog mit der vom Verfassungsschutz beobachteten islamistischen Gemeinschaft Milli Görüsführen. Finden Sie das richtig?
Prinzipiell finde ich Dialog richtig. Man muss es nur klug machen. Ich habe selbst häufig Gespräche mit Vertretern von Milli Görüs geführt, die sehr unterschiedlich verliefen. Man kann sich auch über strittige Fragen unterhalten. Man darf nicht unkritisch hereingehen, man muss Rückfragen und Bedingungen stellen. Ich persönlich wäre auch zurückhaltend, mit Milli Görus gleich öffentlich aufzutreten; das käme auf die Bedingungen an. Aber dass man mit Menschen redet, ist völlig normal. Es ist fast immer besser, als nicht zu reden.
Wie soll ein Dialog mit Fundamentalisten vonstatten gehen?
Es gibt den Spruch: „Fundamentalisten sind immer die Anderen.“ Man weiß gar nicht, wer Fundamentalist ist, ehe man einen Dialog führt. Jeder Mensch ist ein Individuum – es kann passieren, dass jemand Mitglied einer fundamentalistischen Gruppe ist und doch offene Positionen hat. Es kann auch sein, dass das Gespräch in eine Sackgasse gerät und man es abbrechen muss. Das entbindet uns aber nicht von der Verpflichtung, es zu probieren.
Sie haben vor kurzem die katholische Kirche dafür kritisiert, dass sie sich nicht genug für die Religionsfreiheit einsetze. Was wünschen Sie sich anders?
Ich habe bei einer Rede in Tübingen unter anderem kritisiert, dass katholische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bei den UNO-Treffen zur Religionsfreiheit zu wenig präsent sind. Ich habe es immer wieder erlebt und mich immer wieder darüber gewundert. Die katholische Kirche hat auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 mit dem Dokument „Dignitatis Humanae“ gezeigt, dass sie Religionsfreiheit wertschätzt und hat sich dazu klar positioniert. Ich wünsche mir bei diesem Thema mehr Engagement der katholischen Zivilgesellschaft. Dass das Engagement für Religionsfreiheit breiter wird. Dass auch nicht-religiöse Gruppen sich dafür einsetzen. Religionsfreiheit ist nicht nur eine Sache der Frommen.
Werden in der katholischen Kirche die Menschenrechte bewahrt, zum Beispiel von Frauen oder von gleichgeschlechtlich Liebenden?
Es ist tatsächlich ein Problem. Es gibt zum Beispiel eine offenkundige Diskriminierung der Frau beim Priestertum. Aber das kann der Staat nicht erzwingen. Es ist eine theologische Debatte, die die Kirche regeln muss. Das kann nur das Kirchenvolk bewirken, wenn es merkt, dass die Kirche sich diskriminierend verhält. Es muss lauter werden, immer wieder hartnäckig nachfragen. Unter Papst Franziskus ist die Kirche schon weitergekommen. Er hat Hinweise gegeben, dass die Kirche gegenüber Homosexualität eine offenere Linie einschlägt. Es sind gewisse Lockerungsübungen. Es gibt große interne Streitereien in der Kirche.
Sind Sie in dieser Hinsicht optimistisch?
(lacht) Was soll ich denn sonst sein?