Große Ehre für einen, der sich aus Orden sonst nichts macht: Der Historiker und Schriftsteller Gerhard Raff ist mit der Staufermedaille in Gold ausgezeichnet worden.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Da steht er am Rednerpult im großen Sitzungssaal des Rathauses und hält sein Manuskript in die Höhe, das aus unbeschriebenen Seiten besteht – um dann fast 45 Minuten lang ohne Punkt und Komma und schriftliche Gedächtnisstütze aus seinem Leben zu plaudern. Unterhaltsam, kenntnisreich, witzig, aufmüpfig, detailverliebt – und vor allem schwäbisch: Gerhard Raff, der Historiker, Schriftsteller, Kolumnist, Geschichte(n)erzähler und Denkmal-Stifter, wie er leibt und zum Glück noch lebt, was nach fünf Herzinfarkten und zwei Schlaganfällen nicht selbstverständlich ist. Er selbst nennt sich ein medizinisches Wunder. Doch das ist nicht das einzig Wunderbare und Wundersame an ihm, wie sein Auftritt am Dienstagabend eindrucksvoll zeigte. Ein Auftritt mit Seltenheitswert, denn Raff muss inzwischen etwas tun, was er sein Lebtag nie getan hat: sich schonen.

 

Ein Wohltäter vor dem Herrn

Der Anlass für sein Kommen war ein sehr besonderer. Auf Anregung des von Wolfgang Wulz geführten Vereins schwäbische mund.art wurde Gerhard Raff wenige Tage vor seinem 76. Geburtstag (am 13. August) mit der Staufermedaille in Gold ausgezeichnet, einer persönlichen Auszeichnung des Ministerpräsidenten für Verdienste um das Land Baden-Württemberg. Die große Ehre besteht in diesem Fall auch darin, dass der Geehrte sie überhaupt angenommen hat. Raff ist ein bekennender „Ordensmuffel“. Das Bundesverdienstkreuz, das ihm einst verliehen wurde, schenkte er einer Sekretärin, „weil sie noch keines hatte“.

Diesmal jedoch gab es kein Entrinnen. Raff nahm die Staufermedaille gerne an, zumal dieses Adelsgeschlecht bei ihm in höchstem Ansehen steht. Ausgezeichnet wurde er für sein enormes Engagement für das Gemeinwohl, zu dem Raff, der ein materiell bescheidenes Leben führt, mit Millionenspenden aus seiner „Benefizschwätzerei“ beigetragen hat. Ein Wohltäter vor dem Herrn, den er in seinem wohl bekanntesten Buch bekanntlich bittet: „Schmeiß Hirn ra!“ Nicht umsonst waren gleich zwei evangelische Landesbischöfe zugegen, der ehemalige Frank Otfried July und der aktuelle Ernst-Wilhelm Gohl. Außerdem der Landtagsabgeordnete Markus Rösler sowie etliche Stadträte und ehemalige Bürgermeister.

Überhaupt ein Publikum, wie es aus Raffs Sicht erlesener nicht sein konnte: mehr als 400 Weggefährten, Freude und Fans, waren seiner Einladung gefolgt. Zu jedem einzelnen hätte er, der Unerschöpfliche, einen eigenen Vortrag halten können, und er war versucht, es auch zu tun . . . Doch auch ein solcher Abend ist leider endlich, und man wollte ja auch noch singen. Standesgemäß die Württemberg-Hymne „Preisend mit viel schönen Reden“, begleitet von einem stattlichen Blechensemble. So wurde es ein Heimatabend im besten Sinne, bei dem Raff der Stadt zum Dank anbot, seine berühmte provenzalische Krippe mit 555 Santons für eine Weihnachtsausstellung im Rathaus zur Verfügung zu stellen. Ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann.

Seit 1973 schreibt Raff für die Stuttgarter Zeitung

Wenn es etwas zu bemängeln gabt, dann war es das Fehlen des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, bekanntermaßen ein Freund der Mundart, für die Gerhard Raff „unglaublich viel getan hat“, wie Oberbürgermeister Frank Nopper betonte. Nicht zuletzt als Autor seiner seit 1973 in der Stuttgarter Zeitung erscheinenden Mundart-Kolumne. Anstelle Kretschmanns übergab Nopper die Medaille und fand auch sonst viele anerkennende Worte für den „Haupt- und Prachtskerle“ Raff: „Er ist Gold wert für die Landesgeschichte und Landeskunde. Und für Stuttgart.“

Alles, was schon oft und zu Recht über Raff gesagt worden ist, wurde an diesem Abend nochmals gesagt, nur schöner – und zwar aus dem Mund von Volkskundler Werner Mezger. In seiner Laudatio würdigte er Raff als jemanden, „der für dieses Land und seine Menschen Enormes geleistet hat“. Die Auszeichnung mit der Staufermedaille könne stimmiger nicht sein. Aufgrund seines „Universalwissens über die Schwaben“ müsste man Raff eigentlich „il Suebo“ nennen, meinte Mezger. Eine Analogie zu den Staufern, die den Geist Schwabens in die Welt getragen hätten und in Italien „Suebi“ heißen.

Medaille hin oder her. Richtig geehrt fühlt Raff sich erst, wenn das obligatorische Spendenkörble überquillt. Wie viel an diesem Abend für das Olgäle zusammengekommen ist? Gerhard Raff wird es nicht für sich behalten.