Eigentümergemeinschaft in Bad Cannstatt So hat eine Stuttgarterin ihre Nachbarn von Photovoltaik überzeugt

Antonia Reiter hat es durchgeboxt: Auf insgesamt drei Gebäuden befinden sich 178 Solarmodule. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Antonia Reiter aus Bad Cannstatt ist gelungen, dass ihre Eigentümergemeinschaft in eine Solaranlage investiert hat. Zum Erfolg beigetragen hat neben Beharrlichkeit und Überzeugungskraft ein entscheidender Punkt.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Kritische Nachfragen und Bedenken haben Antonia Reiter nicht gebremst. Im Gegenteil. Tauchten Probleme auf, für die sie erst einmal keine Lösung wusste, kamen sie auf die Liste. Etwa 50 Fragen sind so über die Zeit zusammengekommen. Aus heutiger Sicht sind sie beantwortet. Denn auf dem Dach, unter dem Antonia Reiter sitzt, befinden sich seit November 2023 insgesamt 178 Solarmodule.

 

Der Miteigentümerin aus Bad Cannstatt ist gelungen, woran viele noch scheitern: Sie hat für die drei Gebäude der Eigentümergemeinschaft eine Photovoltaikanlage organisiert, mit 73 Kilowattpeak Leistung in der Spitze. Das war kein Spaziergang. Passend zum Thema hat Antonia Reiter einen pinken Pulli mit der Aufschrift „Soleil“ und „Sunshine“ an. Die Sonne scheint auch gerade auf ihre Loggia. Doch einen Haken gibt es noch: „Die Module sind noch nicht am Netz“, sagt Antonia Reiter. Es hänge nur noch am Netzbetreiber, und das sei ärgerlich. Aber angesichts der Tatsache, was sie alles hinter sich hat, erscheint der finale Netzanschluss als das geringste Problem.

Von Blendschutz bis Infraschall

Antonia Reiter hätte wohl vor ein paar Jahren nicht gedacht, dass sie sich einmal in ihrer Freizeit mit Blendschutz-Gutachten, Tauben- und Wespenschutz oder Infraschall bei Energiespeichern beschäftigen würde. Sie gilt als Technikmuffel. „Und ich habe nichts mit Solar zu tun.“ Antonia Reiter hat Mathematik und Informatik studiert und arbeitet bei Bosch in der Software-Entwicklung.

Sie habe die Sache aber auch nicht technisch angepackt, sondern anders. Am Anfang stand eine Wirtschaftlichkeitsberechnung. Man könne natürlich auch mit Klimaschutz argumentieren, aber Antonia Reiter hat festgestellt, dass es am Ende vor allem um eines geht: den Geldbeutel.

Mieterstrommodell wird eingeführt

Der Eigentümergemeinschaft in Bad Cannstatt gehören 23 Parteien an. Etwa ein halbes Jahr lang hat die 50-Jährige mit allen Kaffee oder Bier getrunken und geredet, geredet, geredet. Im Keller trafen sie sich mit Beamer und Bierbank zu zwei Info-Veranstaltungen. „Man muss die Leute ja ins Boot bekommen“, sagt sie. Am Ende hätten die Zahlen überzeugt, das Energiewende-Projekt bekam eine Zweidrittelmehrheit. Im Schnitt haben die Eigentümer 10 000 Euro investiert.

Sobald die Anlage dann mal am Netz ist, gilt in den Gebäuden ein Mieterstrommodell. Für den eigenen Strom vom Dach zahlen die Verbraucher pro Kilowattstunde deutlich weniger, als wenn sie ihn aus dem Netz beziehen würden. Doch sie zahlen immer noch mehr als die tatsächlichen Kosten. Das Plus fließt in einen Überschusstopf, der regelmäßig an alle ausgeschüttet wird. Das Geheimrezept: Je mehr eigener Strom verbraucht wird, desto besser für alle, sagt Antonia Reiter. Ein Partner übernimmt die Abrechnung und zeigt den Haushalten per Handy-App an, wann es sich lohnt, Strom zu verbrauchen.

Robert Hoening aus Stuttgart-Botnang war Vorbild

Seit Kurzem ist Antonia Reiter Solarscout in Stuttgart. Die Stadt suchte und sucht Menschen, die ihren Nachbarn bei der persönlichen Energiewende helfen wollen. Vorbild ist Robert Hoening aus Stuttgart-Botnang, der mit einer privaten Initiative den Zubau an Sonnenstrom in seinem Stadtbezirk in einem Jahr verdoppelt hat.

Inzwischen sind die ersten Schulungen für die neuen Scouts gewesen, es sind laut Stadt für alle Stadtbezirke Solarscouts gefunden worden. In Bad Cannstatt sind sie derzeit zu fünft, erzählt Antonia Reiter. Richtig angelaufen sei das Ganze noch nicht. Aber ihr Ziel ist klar: Sie möchte andere mit ihrer Erfahrung bestärken, „dass man es schaffen kann“.

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