Region: Verena Mayer (ena)

All das hat Eckart Winter nicht gewusst, als er seinen Zufallskontakt nach Gambia knüpfte. Nun, da er es weiß, bewundert er Yunusa und alle anderen jungen Menschen, die ihr Land nicht verlassen wollen.

 

Seit Eckart Winter Yunusa kennt, schickt er ihm Geld, damit er sich regelmäßige Mahlzeiten leisten kann. Als sein Vater einen lebensbedrohlichen Darmverschluss hat, überweist Winter die Kosten für die ärztliche Behandlung. Und als eines Tages Yunusas gewaschene Kleider von der Trockenleine verschwunden sind, hilft Winter mit Geld für neue.

Yunusas Kommilitonen Chris verhilft Eckart Winter zu einer Türe sowie einem Fenster für sein Zimmer auf dem College-Gelände. Sein Studienkollege Siraje kann nun in einem halbwegs anständigen Bett schlafen statt wie bisher auf einer durchgescheuerten Matratze. Ansumana, der ebenfalls mit Yusuna studiert, verdankt Eckart Winter die Schulgebühr über 150 Euro pro Jahr sowie die Medizin, als er Anfang dieses Jahres an Malaria erkrankte. Auch für das Schulgeld von Yunusas Cousin Abdourahim kommt Winter auf. Außerdem hat er seinen Schützlingen Fahrräder besorgt, damit sie günstig von A nach B kommen, sowie kleine Solarpanels, mit denen sie ihre (von Winter gesammelten) Handys aufladen können. „Die Jugendlichen können Wege einschlagen, die sie sonst nur mühsam einschlagen würden“, sagt Eckart Winter und zeigt Fotos von lachenden jungen Gambiern. Die kann er doch nicht hängen lassen.

Eckart Winter würde seiner Hilfe für Gambia gerne eine professionelle Struktur verpassen. Er weiß, dass es nicht sonderlich seriös wirkt, wenn ein Privatmann um Spenden für Menschen bittet, die er mehr oder weniger zufällig kennengelernt hat. Doch eine passende Struktur zu finden ist nicht so einfach. Bei seinen Gambia-Recherchen hat Eckart Winter mehrere Vereine entdeckt, doch sie haben andere Schwerpunkte als er. Momentan setzt Winter all seine Hoffnung auf den Verein Weltweiter Einsatz für Christus, der in Gambia ein Ausbildungszentrum plant. Vielleicht kann er sich dort irgendwie einklinken? Oder zur Not einen eigenen Verein gründen?

In Libyen wurde Winter krank

Bis jetzt hat er sich mit der Suche nach Mitstreitern schwergetan. Sein Arbeitgeber hat Winter signalisiert, er solle zurückhaltend sein und Dienstliches und Privates nicht zu sehr vermischen. „Wahrscheinlich denken viele, dass ich einen Spleen habe“, sagt Winter, der bis jetzt nur einmal fremdes Geld ausgeben konnte: Der Posaunenchor Reudern, mit dessen Leiter Winter befreundet ist, spendete ihm den Erlös zweier Benefizkonzerte. Davon bezahlte er die gambischen Schulgebühren.

Eckart Winter beschließt zu helfen. Er schickt Ebrima Geld. 400 Euro insgesamt. Der Junge soll Essen für seine Familie kaufen und zur Schule gehen. Als Eckart Winter herausfindet, dass der junge Mann in Wahrheit nicht zur Schule geht, bricht er den Kontakt ab.

Mittendrin in der Weltpolitik

Darf sich Winter wundern? Ein Unbekannter kontaktiert ihn über Facebook. Erzählt eine anrührende Geschichte. Gewinnt das Vertrauen des weißen Mannes aus dem reichen Deutschland. Bittet höflich um Geld. Wie viele Alarmglocken kann ein Mensch überhören?

„Ich bin etwas blauäugig an die Sache herangegangen“, erkennt der weiße Mann in Aichtal. Doch als er das realisiert, war „die Neugier gegenüber Gambia und Afrika schon in mir aufgeschlagen“. Also macht er weiter – und steckt mittendrin in der Weltpolitik.

Im August 2014 reist Eckart Winter das erste Mal nach Gambia. Er ist gegen Gelbfieber, Tetanus und Diphtherie geimpft, hat Medikamente zur Malariabekämpfung im Gepäck und Tabletten für alle anderen Fälle. Winter ist so nervös, dass er erwägt, das Abenteuer abzublasen. Sein Verstand sagt ihm: Bleib! Doch sein Herz sagt: Flieg! Also fliegt er.

In den Gefängnissen vegetieren Regimekritiker vor sich hin

Am Flughafen in der Hauptstadt Banjul erwartet ihn Yunusa, ein 25-jähriger Mann, den Winter über die Kinderhilfe Gambia kennengelernt hat. Der Verein aus Göppingen baut seit 20 Jahren Grundschulen in dem Land, und Yunusa ist sein Ansprechpartner vor Ort. Er lässt sich zum Apotheker ausbilden, studiert nebenbei Architektur und entwirft die Pläne für die Göppinger Schulen.

Eckart Winter lernt auf seiner Reise herzliche Menschen kennen. Sie wohnen zu vielen in schiefen, mit Blech bedeckten Hüttchen und schlagen sich irgendwie durch. Als Maurer auf einer Baustelle, als Holzkohleverkäufer oder als Lebenskünstler. Eckart Winter schätzt die würzigen Nationalgerichte, die jedoch nur er sich problemlos inklusive Fisch oder Fleisch leisten kann. Für Yunusa und die meisten seiner Landsleute ist es schon eine Herausforderung, einen Zentnersack Reis zu kaufen, der einen ganzen Monat reichen muss. Wenn dann noch jemand seinen Job verliert oder krank wird – lieber nicht darüber nachdenken. „Ich sah überall große Armut. Die allgemeine Situation in Gambia ist höchst alarmierend“, berichtet Winter, die politische sowieso.

Gambia wird von Yahya Jammeh beherrscht. Jammeh putschte sich anno 1994 an die Macht und hat vor, das Land mindestens eine Milliarde Jahre zu regieren. In seinen Gefängnissen vegetieren Regimekritiker vor sich hin, wenn sie nicht auf ominöse Weise verschwunden sind. Todesurteile vollstreckt der Diktator willkürlich oder sagt sie spontan wieder ab. Homosexuellen droht er mit lebenslanger Haft, es sei denn, sie lassen sich durch Handauflegen und Kräuterbehandlungen heilen. Dass die EU ihre finanzielle Entwicklungshilfe angesichts dieser Zustände vorläufig einfror, beeindruckt den despotischen Präsidenten bis jetzt nicht.

Er kann die Jungs nicht hängen lassen

All das hat Eckart Winter nicht gewusst, als er seinen Zufallskontakt nach Gambia knüpfte. Nun, da er es weiß, bewundert er Yunusa und alle anderen jungen Menschen, die ihr Land nicht verlassen wollen.

Seit Eckart Winter Yunusa kennt, schickt er ihm Geld, damit er sich regelmäßige Mahlzeiten leisten kann. Als sein Vater einen lebensbedrohlichen Darmverschluss hat, überweist Winter die Kosten für die ärztliche Behandlung. Und als eines Tages Yunusas gewaschene Kleider von der Trockenleine verschwunden sind, hilft Winter mit Geld für neue.

Yunusas Kommilitonen Chris verhilft Eckart Winter zu einer Türe sowie einem Fenster für sein Zimmer auf dem College-Gelände. Sein Studienkollege Siraje kann nun in einem halbwegs anständigen Bett schlafen statt wie bisher auf einer durchgescheuerten Matratze. Ansumana, der ebenfalls mit Yusuna studiert, verdankt Eckart Winter die Schulgebühr über 150 Euro pro Jahr sowie die Medizin, als er Anfang dieses Jahres an Malaria erkrankte. Auch für das Schulgeld von Yunusas Cousin Abdourahim kommt Winter auf. Außerdem hat er seinen Schützlingen Fahrräder besorgt, damit sie günstig von A nach B kommen, sowie kleine Solarpanels, mit denen sie ihre (von Winter gesammelten) Handys aufladen können. „Die Jugendlichen können Wege einschlagen, die sie sonst nur mühsam einschlagen würden“, sagt Eckart Winter und zeigt Fotos von lachenden jungen Gambiern. Die kann er doch nicht hängen lassen.

Eckart Winter würde seiner Hilfe für Gambia gerne eine professionelle Struktur verpassen. Er weiß, dass es nicht sonderlich seriös wirkt, wenn ein Privatmann um Spenden für Menschen bittet, die er mehr oder weniger zufällig kennengelernt hat. Doch eine passende Struktur zu finden ist nicht so einfach. Bei seinen Gambia-Recherchen hat Eckart Winter mehrere Vereine entdeckt, doch sie haben andere Schwerpunkte als er. Momentan setzt Winter all seine Hoffnung auf den Verein Weltweiter Einsatz für Christus, der in Gambia ein Ausbildungszentrum plant. Vielleicht kann er sich dort irgendwie einklinken? Oder zur Not einen eigenen Verein gründen?

In Libyen wurde Winter krank

Bis jetzt hat er sich mit der Suche nach Mitstreitern schwergetan. Sein Arbeitgeber hat Winter signalisiert, er solle zurückhaltend sein und Dienstliches und Privates nicht zu sehr vermischen. „Wahrscheinlich denken viele, dass ich einen Spleen habe“, sagt Winter, der bis jetzt nur einmal fremdes Geld ausgeben konnte: Der Posaunenchor Reudern, mit dessen Leiter Winter befreundet ist, spendete ihm den Erlös zweier Benefizkonzerte. Davon bezahlte er die gambischen Schulgebühren.

Anfang dieses Jahres ist Eckart Winter zum zweiten Mal in sein Entwicklungsland gereist. Dieses Mal hat er Naba kennengelernt. Sie berichtete Winter von ihrem 17-jährigen Sohn Jambai, der sich auf den Weg nach Europa gemacht hatte. Von Libyen aus wollte er über das Mittelmeer in ein besseres Leben gelangen. Stattdessen wurde er wegen illegalen Grenzübertritts in ein libysches Gefängnis gesperrt, wo er schwer krank wurde. Eckart Winter sparte sich 400 weitere Euro vom Mund ab, mit denen ein Mittelsmann Jambai aus der Haft freikaufte. Das Letzte, was Eckart Winter über Jambai erfuhr, ist das: der 17-Jährige fand einen Platz in einem Schleuserboot. Im April nahm es Kurs auf Italien. Als ein portugiesischer Frachter die Flüchtlinge bergen wollte, kenterte das Boot. Vermutlich 800 Menschen ertranken, darunter Jambai.

Wenn Eckart Winter auf seiner Terrasse davon erzählt, kämpft er noch immer gegen Tränen.

Man muss diesem Mann glauben, wenn er sagt: „Ich möchte alles tun, um den Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive zu geben.“ Er weiß nur noch nicht so recht, wie.