Es ist der Grundwiderspruch des kapitalistischen Systems: Wir lieben die friedfertigen, toleranten, hilfsbereiten und zur Versöhnung fähigen Menschen. Wir heben all die Albert Schweitzers dieser Welt in unseren Sonntagsreden gen Himmel. Wir wissen aus Erfahrung, dass die Gnade, Brüderlichkeit zu erfahren,ein Stück Lebensqualität für jeden von uns ist. Wir erziehen unsere Kinder nach diesen Werten. Die Kirchen lehren diese Prinzipien seit Jahrhunderten. Die Aufklärung, auf die wir so stolz sind, basiert auf der Brüderlichkeit, die längst Solidarität genannt wird. Und doch verachten wir die Brüderlichkeit. Im Alltag, vor allem dann, wenn es ums Geld geht, um unser Geld. In der Berufswelt mehr denn je. Wir haben längst verinnerlicht, dass allein der Egoismus, man könnte auch sagen: die Ausbeutung der anderen, zum wirtschaftlichen Erfolg führt. Und dass die Vertreter der Brüderlichkeit nur nützliche Idioten sind. Und dann wundern wir uns noch, dass immer mehr Menschen aufder Welt das westliche Demokratiemodell nicht mehr attraktiv finden und sich von uns abwenden. So was kommt von so was.

Stefan Geiger