Wenn sich ein Protest verstetigen will, braucht er Rituale. Und der Protest gegen das diktatorische Regime in der DDR wollte sich genauso verstetigen wie der Protest gegen die unsozialen Hartz-IV-Gesetze in der vereinten Republik und der Protest gegen das umstrittene Milliardenprojekt Stuttgart 21 in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Daher der Montag als fester Tag der Manifestation – wobei das Copyright für die Montagsdemonstration“ eindeutig in Leipzig liegt.

 

Am Montag, dem 4. September 1989, gingen die Bürger dort zum ersten Mal gegen die SED-Herrschaft massenhaft auf die Straße – und weil es Woche für Woche immer mehr Menschen in immer mehr Städten wurden, sackte das Regime unter der Wucht des Protestes einfach in sich zusammen. Das war die „friedliche Revolution von 1989“, deren sanft-unblutiger Verlauf den Grund dafür liefert, dass die „Montagsdemonstration“ von Haus aus überaus positiv besetzt ist.

Kein Wunder, dass sich die S-21-Gegner dieses Sympathie-Label krallten, als sie im November 2009 vor dem Bahnhof ihre eigenen Montagsdemos starteten: als Kundgebungen mit dem Ziel, eine Gegenöffentlichkeit zur herrschenden Bahn-Propaganda zu schaffen. Das ist ihnen gelungen, hat aber nicht jedem gefallen, auch nicht den Autofahrern, die wegen der Protestumzüge regelmäßig im Stau standen. Für sie klingt „Montagsdemonstration“ nach Bedrohung, für S-21-Befürworter übrigens auch. Am kommenden Montag gibt’s in Stuttgart die 161. Ausgabe.

Roland Müller