Der ukrainische Schauspieler Wolodymyr Selenski macht sich in einer populären TV-Serie über die Politgrößen seines Landes lustig. Das hat jetzt ungeahnte Folgen für ihn.

Korrespondenten: Inna Hartwich

Kiew - Er hat das alles schon einmal durchgemacht. Wahlkampagne, Abstimmung, Inauguration als Präsident der Ukraine. Er tat sich schwer damit, verhielt sich ungelenk. Übte seine Reden mit Walnüssen im Mund, seine Begrüßungsfloskeln mit Statisten, die Angela Merkel und Wladimir Putin spielten. Er kennt die Intrigen der Macht, zumal der ukrainischen. Er hat sie als Kunstfigur Wassili Petrowitsch Goloborodko seiner beliebten Serie „Diener des Volkes“ gekonnt aufgespießt. Nun will Wolodymyr Selenski auch im realen Leben das werden, was sein Held Goloborodko seit 2015 im Fernsehen ist: Präsident der Ukraine.

 

Seine Chancen bei der Wahl am 31. März stehen nicht schlecht, die jüngsten Umfragewerte bescheinigen ihm knapp 27 Prozent der Stimmen, noch vor dem Amtsinhaber Petro Poroschenko und der ewigen Herausforderin Julia Timoschenko. Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als würde alles auf ein Duell zwischen Poroschenko und Timoschenko hinauslaufen. Doch die Stunde der Außenseiter – und der Populisten – schlägt auch in der Ukraine. In Italien hat der Komiker Beppe Grillo mit seinen Cinque Stelle die Parteienlandschaft umgekrempelt, in Slowenien ist der Kabarettist Marjan Sarec seit einem halben Jahr Ministerpräsident.

Die Krainer gieren nach neuen Gesichtern

Seit Selenski, Satiriker, Schauspieler, Synchronsprecher, am Silvesterabend seine Kandidatur erklärt hat, klettert die Zustimmung für den 41-Jährigen stetig nach oben. Die Ukrainer gieren fünf Jahre nach den Maidan-Protesten geradezu nach einem neuen, frischen Gesicht, nach einem, der abseits der etablierten Vermischung von Wirtschaft und Politik steht. So wie der „Präsident Goloborodko“: ein Geschichtslehrer, der eines Tages vor der Schultafel ausrastet, von einem Schüler dabei gefilmt wird, zum Internetstar aufsteigt und schließlich ein „fleißiger, ehrlicher, gerechter“ Präsident wird. All die Eigenschaften also in sich vereint, die viele Ukrainer bei ihren Politikern vermissen.

Poroschenko ist unbeliebt und kämpft mit patriotischer Mobilisierung gegen sein Image als schwerreicher Oligarch an. Timoschenko ist gerade für die Akademiker und die Jungen eine unerträgliche Immer-wieder-Kandidatin. Selenski ist kein Politiker. Das ist sein Trumpf für viele Ukrainer, die von der etablierten Politik desillusioniert sind. Der Professorensohn, der teils in der Mongolei aufgewachsen war, ist auf den ersten Blick der perfekte Kandidat, um die korrupten Strukturen aufzubrechen. Doch selbst sein bescheidener, sympathischer Goloborodko scheitert schließlich als „Diener des Volkes“.

Nähe zu einem Oligarchen?

Auch bei Selenski und seiner – nach der Serie benannten – Partei bleibt einiges undurchsichtig. Die Partei hat keine Homepage, ihr Vorsitzender soll Iwan Bakanow sein, ebenfalls ein Komiker aus Selenskis Produktionsfirma Kwartal 95. Ende Januar hatte die Partei, die sich als sozial-demokratisch und sozial-liberal bezeichnet, ein Vier-Seiten-Programm veröffentlicht. Die Rede ist dabei von der Einführung von Volksabstimmungen, von einer Beteiligung aller Ukrainer am nationalen Reichtum von Geburt an, vom Straßenbau auf europäischem Niveau. Kritik bringt Selenski, der russischsprachig ist, vor allem die Nähe zum Oligarchen Igor Kolomoiski ein, der als Feind Poroschenkos gilt. Ob Selenski nur eine Spielfigur in Kolomoiskis Wahlintrige ist, wie manche Beobachter behaupten? Das würde fast schon zu perfekt in Selenskis „Diener des Volkes“-Serie passen. Oder auch in die reale ukrainische Politik.