Der Papst-Kult in Polen ist enorm. In Wadowice erinnert seit Kurzem ein eigenes Museum an das Leben und Wirken von Johannes Paul II.

Krakau - Am schlimmsten war es in Lublin. Dort musste wegen Johannes Paul II. gar die Polizei einschreiten. Der Grund könnte profaner nicht sein. Just vor Ostern hatte die polnische Nationalbank vier Sondermünzen zur Heiligsprechung herausgegeben. Der Verkauf der Zloty-Münzen in den regionalen Niederlassungen der Staatsbank fand ein derart großes Interesse, dass selbst eine Anmeldung zur Verkaufsschlange im Internet nicht reichte. Es bildeten sich Schlangen wie zu kommunistischen Zeiten für Fleisch oder Toilettenpapier. Dabei kam es in der Lubliner Schlange zu einer Schlägerei.

 

„Hinter diesem äußerlichen Interesse an Karol Wojtyla versteckt sich viel mehr“, sagt Agata Stachowiak. Sie steht in einem Warschauer Einkaufszentrum, vor ihr ein Büchertisch mit Schriften von und über Karol Wojtyla. „Zum einen hat Johannes Paul II. wesentlich zum Zerfall des Kommunismus beigetragen“, verweist sie auf die historische Bedeutung des Papstes in Polen, das fünf Wochen nach der Heiligsprechung auch den 25. Jahrestag der Wende von 1989 feiert. „Dazu kommt seine geistliche Dimension“, sagt Stachowiak. Sie blättert in einem der jüngsten Bestseller Polens: „Karol Wojtyla – ich bin sehr in Gottes Händen“, eine 635-seitige kritische Ausgabe seiner persönlichen Notizen zwischen 1962 und 2003. Stachowiak will gleich vier Bücher kaufen. „Als verspätete Ostergeschenke!“, sagt sie und lächelt.

Für viele Polen ist Johannes Paul II. eine moralische Autorität

So groß die Autorität Johannes Paul II. in Polen auch sein mag, der Einfluss der Kirche nimmt seit dessen Tod im April 2005 beständig ab. Die in den Tagen der polnischen Massentrauer noch viel beschworene Generation JP2, junge Menschen, die ihr ganzes Leben zur Zeit seines Pontifikats verbrachten, ist schon fast vergessen. Zwar geben laut Umfragen über 90 Prozent der Polen noch heute an, Johannes Paul II. sei für sie eine wichtige moralische Autorität, aber der sonntägliche Messgang nimmt stetig ab, und unter jungen Polen verhält es sich mit der Sexualmoral zumindest in den Städten ähnlich wie in Österreich. Nur das „Santo subito!“ hat sich bei den Polen gehalten – Johannes Paul II. ist für viele schon heilig.

Nicht zuletzt deshalb hatte schon vor der Seligsprechung 2011 eine polnische Stiftung das Geburtshaus Karol Wojtylas im Städtchen Wadowice, rund 50 Kilometer südlich von Krakau, gekauft, um dort ein Johannes-Paul-II.-Museum einzurichten. Nach vier Jahren Umbauzeit konnte es kurz vor der Heiligsprechung eröffnet werden. Der Andrang ist so groß, dass die Besucher in 25-Personen-Gruppen alle zehn Minuten hineingelassen werden.

Von der Browning-Pistole bis zur Soutane

Zu sehen sind neben der halb automatischen Browning-Pistole des Papstattentäters Ali Agca vor allem Alltagsgegenstände der Familie Wojtyla. Diese ist vermutlich gleich nach dem Ersten Weltkrieg aus Krakau in die Provinzstadt umgezogen. Karol Wojtyla wurde in einer engen Zweizimmerwohnung am 18. Mai 1920 im ersten Stock des Hauses geboren. Die Wohnung wurde bereits 1984 von der Krakauer Erzdiözese als Museum eingerichtet, doch in Polen fand man, für einen künftigen Heiligen sei dies zu klein. Deshalb der aufwendige Umbau. Er erlaubt die Präsentation weiterer Andenken an den Papst – vom blutbefleckten Anzug eines seiner Leibwächter bis zur Soutane, die Kardinal Karol Wojtyla am Tage seiner Papstwahl getragen haben soll.