Einbürgerungstests in Stuttgart So macht Renata Delic Ausländer zu Deutschen
Die Volkshochschule Stuttgart ist der größte Anbieter für Einbürgerungstests in der Region. Eine Abteilungsleiterin erzählt aus ihrem Alltag.
Die Volkshochschule Stuttgart ist der größte Anbieter für Einbürgerungstests in der Region. Eine Abteilungsleiterin erzählt aus ihrem Alltag.
Ist es in Deutschland erlaubt, dass zwei Frauen in einer Partnerschaft zusammenleben können? Vielen Deutschen dürfte die Beantwortung dieser Fragen lächerlich einfach erscheinen. Für Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen wollen, hängt ihre Einbürgerung davon ab, ob sie 17 von 33 solcher Fragen aus Gesellschaft, Kultur und Geschichte bei einem Multiple-Choice-Test richtig beantworten können.
Wenn Menschen in Stuttgart diesen Test machen wollen, schlagen sie früher oder später bei Renata Delic an der Volkshochschule (VHS) am Rotebühlplatz auf. Die 48-Jährige macht einfach gesagt Ausländer zu Deutschen. Als Leiterin des Programmbereichs Deutsch und Integration an der VHS finden unter ihrer Regie Integrations-, Deutsch- und eben auch Einbürgerungstests statt. „Dieses Jahr haben alleine Menschen aus 111 Ländern am Einbürgerungstest teilgenommen“, sagt sie. Unter ihrer Führung leiten 70 bis 100 Lehrkräfte die Kurse. Und die Nachfrage steigt stetig.
Aktuell muss sich Renata Delic auch mit politischen Fragen auseinandersetzen. Die Bundesregierung will mit einem Bündel von Maßnahmen neue Leitlinien für Zuwanderung und Einbürgerung auf den Weg bringen. Fachkräften soll die Zuwanderung ins Land erleichtert werden. Zuletzt kam insbesondere Kritik von der von Friedrich Merz angeführten Union, die in den Maßnahmen ein „Verramschen“ der deutschen Staatsbürgerschaft sieht und aus diesem Grund höhere Hürden für Ausländer, die Deutsche werden wollen, fordert.
Wenn in der politischen Debatte Renata Delic’ Leib-und-Magen-Thema auftaucht, dann kann sie meist nur auf den Alltag in der VHS verweisen. Denn die Hürden für Ausländer seien bereits hoch. „Aktuell müssen Migranten Einbürgerungs- und Deutschkurse belegen, wenn sie einen unbefristeten Aufenthalt in Deutschland haben wollen“, sagt sie. Sie lernen nicht nur historische Fakten, sondern auch Grundlagen der deutschen Kultur.
Wenn Delic in ihrem Büro am Rotebühlplatz daher eines der vielen Lehrbücher aus ihrem Regal zieht, zeigt sie gerne auf das Kapitel, in dem die verschiedenen Formen des Zusammenlebens in Deutschland gezeigt werden. Und siehe da: Ja, Frauen können in Deutschland in einer Partnerschaft zusammenleben. Die Tests, die Kursteilnehmer am Ende ihres Kurses in der VHS ablegen würden, wären auch für die Einbürgerung gültig.
Diejenigen, die diese Kurse abschließen, weisen damit auch ausreichend ihre Integrationsfähigkeit nach. „Wir leben in einem zunehmend von Migration betroffenen Land. Um auch für Fachkräfte attraktiv zu bleiben, müssen wir für sie Anreize schaffen“, sagt sie. Dazu zähle es eben auch, die doppelte Staatsbürgerschaft zu ermöglichen und die Zeit zu verkürzen, die Ausländer in Deutschland leben müssen, um sich um die deutsche Staatsbürgerschaft bewerben können.
Die studierte Germanistin und Erziehungswissenschaftlerin arbeitet seit 2008 an der VHS und hat in der Zwischenzeit zwei große Flüchtlingswellen miterlebt. „Das weltpolitische Geschehen spiegelt sich immer auch in meinen Kurssälen wider“, sagt sie. Dieses Jahr seien es zum Beispiel besonders viele Russen, die einen Einbürgerungstest abgelegt hätten. In den Anfangsjahren des Brexits seien es besonders viele Briten gewesen.
Allein in Stuttgart werden jährlich 3000 Einbürgerungsanträge gestellt, und es finden 2000 Einbürgerungen statt. Zweimal im Jahr können sich die Eingebürgerten bei einer Zeremonie mit dem Oberbürgermeister dafür feiern lassen. Auch in ganz Baden-Württemberg wird die Möglichkeit, sich einzubürgern, nach wie vor rege genutzt. Laut offizieller Statistik gab es im Jahr 2019 zuletzt ein Rekordjahr mit 19 109 Einbürgerungen. Im Jahr 2021 lag die Zahl der Menschen, die Deutsche geworden sind, bei 17 304. Die Bundesregierung muss nun entscheiden, ob es in Zukunft noch mehr Einbürgerungen geben soll. Denn laut Delic würden mehr Menschen Deutsche werden wollen, wenn sie beispielsweise ihre alte Staatsbürgerschaft behalten dürften.