Vanessa Weil sagt, der Krebs sei Fluch und Segen zugleich. Es hätte auch sie befreit, als irgendwann feststand, dass bei ihr keine herkömmlichen Therapien mehr wirken. Sie gibt sich lieber geschlagen, als vergeblich zu kämpfen.

 

Ihr Weg, das sei jetzt nicht mehr der Kampf gegen den Krebs, sondern das Leben mit ihm. Und den gehe sie mit Stolz und Würde. Die Krankheit habe sie auch mit neuen Freunden beschenkt und mit alten enger zusammengeschweißt. Ihr Augenblicke gegeben, die früher ungesehen an ihr vorbeigezogen wären. Erst jetzt sei es ihr möglich innezuhalten. Wenn sie mit ihrer Katze Emma kuschelt. Wenn sie mit einer Freundin einen Kaffee trinkt. Nun sei das Leben wie ein nie enden wollender Urlaub. „Wahrhaftig glücklich, das bin ich erst jetzt“, sagt sie. Ihre Stimme, sonst laut und neckisch gefärbt, wird sanft. Die Lachfalten um ihre Augen glätten sich.

Seit mehr als einem Jahr lässt sie andere Menschen an ihrem Weg teilhaben. Auf Facebook bloggt sie regelmäßig aus ihrem Leben. 7000 Begleiter, so nennt sie ihre Follower, haben sie abonniert. Ein Kampftagebuch sei die Seite nicht. Sie möchte Mut machen. Zeigen, dass es auch ein Leben mit dem Krebs gibt. Und dass man noch immer etwas leisten kann. „Das allgemeine Bild eines Krebskranken sieht doch so aus: abgemagert und haarlos.“

„Für Krankheit gibt es keinen Platz in der Gesellschaft“

Das wollte sie ändern. Für einen Kalender ließ sie sich von 13 Fotografen in Szene setzen. Die Bilder zeigen sie schrill gekleidet, kahlköpfig, nachdenklich, barbusig, und mal sexy. Mal zeigt sie ihren vernarbten Bauch, mal die herausgestreckte Zunge. Manche Bilder sind provokant, andere versöhnlich. Hauptsache, der Mensch stehe im Mittelpunkt – und nicht der Krebs, sagt Vanessa Weil. Mit dem Erlös möchte sie ein Lotsenprogramm am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg unterstützen. „Ich möchte etwas schaffen, das über meinen Tod hinaus Bestand hat.“ Von ihren Zimmernachbarn in der Klinik sind die meisten inzwischen gestorben. Dass sie lebt, sei ein Geschenk. „Ich mache das für jeden, der es nicht geschafft hat“, sagt sie und macht eine Tränenpause.

Manche finden ihren Kalender zu offensiv. Vanessa Weil sagt, in Deutschland will man jung und schön sein. Für Krankheit gebe es in dieser Gesellschaft wenig Platz. „Die Leute wollen das nicht sehen, nicht hören, nicht fühlen.“ Vielleicht aus Angst vor der eigenen Sterblichkeit. „Ich und andere Kranke erinnern sie daran, deswegen wenden sich manche von uns ab.“

Seit der Diagnose ist Vanessa Weils Leben ein anderes. Sie sagt, eigentlich gebe es das alte nicht mehr. Zunächst veränderte sich ihr Äußeres. Sie verlor ihre Haare. Auch die Wimpern und Augenbrauen. Letztere ließ sie sich inzwischen tätowieren. Sie verlor ihre Gebärmutter und ihre Eileiter – als sie eigentlich Kinder plante. Sie legte 15 Kilo zu. Sie verlor manche Freunde und Kollegen. Und irgendwann auch die Hoffnung, den Krebs zu besiegen.

Heute schläft sie auf einem elektrisch verstellbaren Lattenrost, um es morgens leichter aus dem Bett zu schaffen. Wenn sie sich überanstrengt, wie vor drei Wochen, spuckt sie Galle. Sie schluckt Entwässerungstabletten, Antidepressiva, um besser einschlafen zu können, nimmt Ibuprofen, damit die Wunden schmerzfreier verheilen, schluckt Medikamente gegen das taube Gefühl in den Beinen. Natürlich fließen auch mal Tränen. Das ist die eine Seite.

Der Krebs ist Fluch und Segen

Vanessa Weil sagt, der Krebs sei Fluch und Segen zugleich. Es hätte auch sie befreit, als irgendwann feststand, dass bei ihr keine herkömmlichen Therapien mehr wirken. Sie gibt sich lieber geschlagen, als vergeblich zu kämpfen.

Ihr Weg, das sei jetzt nicht mehr der Kampf gegen den Krebs, sondern das Leben mit ihm. Und den gehe sie mit Stolz und Würde. Die Krankheit habe sie auch mit neuen Freunden beschenkt und mit alten enger zusammengeschweißt. Ihr Augenblicke gegeben, die früher ungesehen an ihr vorbeigezogen wären. Erst jetzt sei es ihr möglich innezuhalten. Wenn sie mit ihrer Katze Emma kuschelt. Wenn sie mit einer Freundin einen Kaffee trinkt. Nun sei das Leben wie ein nie enden wollender Urlaub. „Wahrhaftig glücklich, das bin ich erst jetzt“, sagt sie. Ihre Stimme, sonst laut und neckisch gefärbt, wird sanft. Die Lachfalten um ihre Augen glätten sich.

Seit mehr als einem Jahr lässt sie andere Menschen an ihrem Weg teilhaben. Auf Facebook bloggt sie regelmäßig aus ihrem Leben. 7000 Begleiter, so nennt sie ihre Follower, haben sie abonniert. Ein Kampftagebuch sei die Seite nicht. Sie möchte Mut machen. Zeigen, dass es auch ein Leben mit dem Krebs gibt. Und dass man noch immer etwas leisten kann. „Das allgemeine Bild eines Krebskranken sieht doch so aus: abgemagert und haarlos.“

„Für Krankheit gibt es keinen Platz in der Gesellschaft“

Das wollte sie ändern. Für einen Kalender ließ sie sich von 13 Fotografen in Szene setzen. Die Bilder zeigen sie schrill gekleidet, kahlköpfig, nachdenklich, barbusig, und mal sexy. Mal zeigt sie ihren vernarbten Bauch, mal die herausgestreckte Zunge. Manche Bilder sind provokant, andere versöhnlich. Hauptsache, der Mensch stehe im Mittelpunkt – und nicht der Krebs, sagt Vanessa Weil. Mit dem Erlös möchte sie ein Lotsenprogramm am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg unterstützen. „Ich möchte etwas schaffen, das über meinen Tod hinaus Bestand hat.“ Von ihren Zimmernachbarn in der Klinik sind die meisten inzwischen gestorben. Dass sie lebt, sei ein Geschenk. „Ich mache das für jeden, der es nicht geschafft hat“, sagt sie und macht eine Tränenpause.

Manche finden ihren Kalender zu offensiv. Vanessa Weil sagt, in Deutschland will man jung und schön sein. Für Krankheit gebe es in dieser Gesellschaft wenig Platz. „Die Leute wollen das nicht sehen, nicht hören, nicht fühlen.“ Vielleicht aus Angst vor der eigenen Sterblichkeit. „Ich und andere Kranke erinnern sie daran, deswegen wenden sich manche von uns ab.“

Sie habe keine Angst vor dem Tod. Wenn schon Angst, dann vor dem Sterben. Sie hofft auf die Palliativmedizin. Darauf, schmerzfrei von der Welt gehen zu dürfen. Und auf die Stärke ihre Familie und ihrer Freunde. „Ich fordere von ihnen zu kämpfen, dass ich zu Hause sterben kann.“

Für ihre Eltern sei es besonders hart gewesen. Es fiel ihnen schwer zu akzeptieren, dass sich die Tochter auf den Tod vorbereitet. „Sie sagten immer: Alles wird gut.“ Als Nessa sich von diesem Glauben verabschiedete, wollte sie diesen Satz, so getränkt mit Zuversicht, nicht mehr hören. „Ihr müsst euch mit dem Gedanken anfreunden, dass ich sterbe“, sagte sie. Und die Familie flehte: „Du musst uns doch die Hoffnung lassen!“ Nessa schüttelte den Kopf. „Ich hab’ keine Böcke mehr drauf“, antwortete sie.

Sie hat ihren Frieden gemacht

Nessa sagt, sie habe ihren Frieden gemacht. Eine verbitterte Kranke wollte sie nie werden. Und sie habe „gerade eh gar keine Zeit zu sterben“. Sie organisiert jetzt eine Benefizgala. Da sollen dann alle Fotografien versteigert werden, die im Rahmen des Kalenderprojekts geschossen wurden. Sie ist noch auf der Suche nach einem schönen Kleid für die Feier. Das will sie auch im Januar tragen, wenn sie 40 Jahre alt wird.

Ihre Beerdigung hat sie schon vor einem Jahr geplant. Sämtliche Unterlagen liegen gesammelt in einem Karton auf dem Kiefernschrank. Einen Brief, mit eigenen letzten Worten möchte sie erst schreiben, wenn es Zeit dafür ist. Eine Freundin soll ihn auf der Trauerfeier vorlesen. Anschließend sollen Heliumballons, in Weiß und Türkis, in den Himmel steigen. Nessa möchte ihre Gäste, die bitte in bunten Kleidern kommen, selbst durch die Feier führen. Mit Liedern, die sie bereits eingesungen hat. Ihr liebstes ist von Sarah Connor:

„Wenn der Tag gekommen ist und ich mit dem Wasser fließe, hoffe ich, dass ihr mich nicht vergesst. Ich will keine Trauerreden. Ich will keine Tränen sehen. Ich will, dass ihr feiert, ich will dass ihr tanzt, mit ’nem Lächeln im Blick und ’nem Drink in der Hand. Einem Heißluftballon, auf dem rießengroß steht: Das Leben ist schön. Auch wenn es vergeht. Und wenn ihr schon weint, dann bitte vor Glück.“