Seit Dezember berät das Jugendamt des Rems-Murr-Kreises Jugendliche mit Problemen am Telefon – und auch per Whats App.

Rems-Murr-Kreis – - Mit einer Hotline eigens für Jugendliche macht das Kreisjugendamt der jungen Generation seit Dezember ein spezielles Angebot: Jugendliche, die Probleme haben, können sich an den Werktagen telefonisch beraten lassen. Der Suchtbeauftragte Harry Müller zieht eine erste Bilanz – und will das Angebot noch bekannter machen.

Herr Müller, eine „Nummer gegen Kummer“ gibt es schon länger. Was zeichnet denn Ihr Jugendtelefon aus?

 

Wir wollten gerne ein niederschwelliges regionales Angebot machen, bei dem man den Jugendlichen auch sagen kann, an wen sie sich in ihrer unmittelbaren Umgebung wenden können.

Wie war der Start?

Es ging rasant los, daran erinnere ich mich gut. Allerdings waren es anfangs vor allem Kollegen, die sich gemeldet haben. Es war auch ein Schulleiter darunter. Sie sagten: Dass Ihr jetzt loslegt, wenn wir zumachen, das beruhigt uns. Die Nachfrage der Jugendlichen war zunächst verhalten – vor Silvester meldeten sich nur zwei.

Wie viele haben seither angerufen?

Bis heute hatten wir etwa 30 Anrufer, darunter waren auch welche, die sich mehrfach gemeldet haben. Das ist eine überschaubare Anzahl. Aber da zeigt sich, was wir auch sonst in der Jugendarbeit sehen: Es ist Beziehungsarbeit. Die Jugendlichen wenden sich einfach am liebsten an jemanden, den sie kennen. Und das fehlt natürlich bei einem neuen Angebot. Deshalb werden wir jetzt noch einmal für uns werben.

Mit welchen Problemen kommen die Jugendlichen zu Ihnen?

Die meisten rufen an, weil es zuhause nicht gut läuft, sie mit der Enge nicht gut klarkommen oder sie sich mit ihren Eltern nicht verstehen. Seit zum Beispiel viele Jugendhäuser weitgehend geschlossen sind, fehlt ihnen ein Rückzugsort. Ausgesprochene Notfälle waren noch keine dabei.

Und wie können Sie einem Jugendlichen in dieser Situation helfen?

Das kommt drauf an, wie alt der oder die Anruferin ist. Vor Kurzem etwa hat sich eine 17-Jährige gemeldet, die Ärger zuhause hatte. Wir haben dann gemeinsam überlegt, ob sie eine Freundin hat, bei der sie vorübergehend unterkommen könnte – damit alle Beteiligten mal Abstand gewinnen und die Lage sich beruhigt. Oder wir schauen, ob ein Schulsozialarbeiter ansprechbar ist. Wenn jemand sagt, er hält es zuhause auf keinen Fall mehr aus, dann kann ich beispielsweise an den Sozialen Dienst des Jugendamtes übermitteln.

Die Politik widme sich den Jugendlichen nur, wenn es um die Schulen gehe, kritisiert Ihre Kollegin Katharina Fuhrer.

Das kann ich voll und ganz unterschreiben. Ich habe selbst eine fast 16-jährige Tochter, ich habe das im vergangenen Jahr kommen sehen: Man widmet sich den ganz Jungen und den Senioren, aber die Jugendlichen sind oftmals die vergessene Generation. Sie werden darauf reduziert, dass sie Schüler sind. Vieles, was zu einer gesunden Entwicklung gehört, wurde ihnen genommen und eine Perspektive ist kaum zu erkennen. Jetzt sind wir gerade wieder an diesem Punkt. Zu wenige fragen, wie es ihnen in dieser Situation geht.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Es darf nicht alles zu Lasten von Kindern und Jugendlichen gehen. Jugendliche müssen sich auch außerhalb der Familie begegnen können, ohne gegen Regeln zu verstoßen. Deshalb wäre es wichtig, dass solche Angebote so schnell wie möglich wieder geöffnet werden – wenn die Lage es erlaubt. In der Zwischenzeit versuchen wir als Jugendamt mit digitalen Angeboten zu zeigen: Wir haben euch nicht vergessen und sind auch jetzt für euch da.