Petra Laupheimer ist Lehrerin für Kinder mit kognitiven Schwächen. Sie macht sehr viel Sport, schwimmt und geht viele Tausend Schritte am Tag. Und sie hat Mukoviszidose. Die 33-Jährige will aber nicht auf die Krankheit reduziert werden.

Ditzingen/Benningen - Ich bin gut.“ Die junge Frau mit den rotbraunen langen Haaren und der markanten Brille ist von sich überzeugt. Sie leidet zwar seit ihrer Geburt vor 33 Jahren an der Erbkrankheit Mukoviszidose, die viele Patienten sehr beeinträchtigt, beispielsweise durch das erschwerte Atmungsvermögen. Petra Laupheimer sagt aber eines ganz entschieden: „Ich will nicht auf Muko reduziert werden. Das wär’ ja auch Quatsch.“ Natürlich muss sie jeden Tag inhalieren, damit sich der zähe Schleim aus den Bronchien leichter abhusten lässt. Natürlich muss sie jeden Tag Tabletten nehmen und sich Insulin spritzen. Natürlich muss sie sich viel bewegen und viel essen. Und natürlich hat sie einen Beruf, der ihr viel Freude bereitet: Sie ist Lehrerin für neunjährige Kinder, die nicht so leicht lernen wie Gleichaltrige. All das fordert die 33-jährige Benningerin. Sie fühlt sich aber nicht überfordert. Mit guter Selbstorganisation lasse sich das alles schaffen, sagt sie.

 

Eines kann sie überhaupt nicht leiden: Wenn sie von Leuten aus ihrer Umgebung als Kranke behandelt wird, auf die nur Rücksicht genommen werden muss. Deshalb denkt sie sich auch nur ihr Teil, als ihr Besucher beim ersten Hallo sagt „ich geb’ Ihnen mal keine Hand“. Man hat ja gelernt, dass Mukopatienten empfindlich sind, der Händedruck aus Höflichkeit durch eine nette Bemerkung und ein Lächeln ersetzt und so die Übertragung von Keimen ganz einfach verhindert werden kann. Sie geht über diese gut gemeinte Geste hinweg – jetzt muss erst mal Emma an den Hosen und der Hand schnuppern. Emma ist Petra Laupheimers Hund – ein wuseliger, schwarzweißer Terrier. Er hilft ihr jeden Tag, und er zwingt sie raus. Frauchen muss sich aber gar nicht zwingen. Sondern sie plant viel Zeit ein für lange Spaziergänge, und fürs Schwimmbad. „Wenn du dich gehen lässt, hast du verloren.“

Mut machen

Die 33-Jährige ist zwar in keiner Selbsthilfegruppe für Mukokranke, und auch auf der Facebookseite von Betroffenen meldet sie sich nur sporadisch. Und sie will kein großes Aufheben um ihre Person. Deshalb macht sie auch keinen großen Rummel beim Ditzinger Lebenslauf, unterstützt aber ihre Mutter, die dort als Freiwillige mitarbeitet. Petra Laupheimer will Mut machen. Dazu, dass Betroffene nicht für die Krankheit leben, sondern mit ihr. Dass sie Tiefpunkte akzeptieren, sie mit Verwandten und Freunden durchstehen – aber auch dafür, dass man in den guten Zeiten das Leben genießt. Das Weinerliche ist nicht ihr Ding. „Ich bin normal“, sagt sie, „ich kann normal leisten. Und ich erwarte, dass man das so sieht und wahrnimmt. Ich will ganz normal behandelt werden.“ Sie steht für das Positive. Das will sie vermitteln.

Beispielsweise, welche Freude ihr der Unterricht mit „ihren“ fünf Kindern an der Paul-Aldinger-Schule in Kleinbottwar macht. Oder, wie wichtig das Schwimmen zweimal pro Woche und das tägliche Bewegen draußen sind. Beim 24-Stunden-Schwimmen in Oberstenfeld hat sie mitgemacht, und sie übt, einen Kilometer am Stück kraulen zu können. „Ich vergleiche mich mit Gesunden“, sagt sie. „Wenn ich merke, ich bin schlechter, dann trainiere ich.“ Beim Gassigehen mit Emma sollten es schon 10 000 Schritte sein. 20 000 wären besser – 15 Kilometer. 50 000 wären super.

Sie hat schon viele negative Prognosen gehört

Das Reduziertwerden auf ihr angebliches Schicksal als chronisch Kranke kann die Benningerin auch vielleicht deshalb nicht leiden, weil sie das in ihren bisherigen drei Lebensjahrzehnten schon oft genug erlebt hat. Dann muss sie kurz vom Positiven wegschwenken. „Als ich geboren worden bin, hieß es, ich werde keine sechs.“ Ein paar Jahre später habe die Zahl 18 geheißen. Dann war die Lebenserwartung, die man ihr zubilligte, bei 30 Jahren. „Und jetzt bin ich 33.“ Sie weiß wohl, wie ihre Partnerin, dass Mukokranke eine verkürzte Lebenserwartung haben. Petra Laupheimer ist dennoch sehr fröhlich, strahlt Energie und Lebensfreude aus. Jetzt steht der Sauerstofftank fast unbenutzt neben dem Sofa, und die Medizin macht jedes Jahr Fortschritte.

„Mir geht’s voll gut“, sagt sie. 2016 aber war ein ganz anderes Jahr. Im April ein Lungenriss, Kollapse, Operation in der Lungenklinik in Löwenstein, Reha. „Man musste mich zur Toilette tragen.“ Nach einem halben Jahr hat sie sich erholt, wieder zwölf Kilo zugenommen, unterrichtet wieder („die Kinder haben mir so liebe Briefe ins Krankenhaus geschrieben“), hat die Grippewelle ohne Infektion überstanden. „In der Zeit, in der kein Scheiß kommt, geschieht so viel Cooles“, sagt sie und lacht. Die Marke von 60 Prozent Lungenfunktion will sie noch knacken. Im Moment sind es knapp 50. Es waren aber auch mal bloß 22.

Nach anderthalb Stunden verabschiedet sie den Besucher mit einem kräftigen Händedruck. Alles ganz normal.