Ludwigsburg Eine Einrichtung stopft die Lücken des öffentlichen Bildungssystems. Der Bedarf ist groß. Von Verena Mayer

Ludwigsburg Eine Einrichtung stopft die Lücken des öffentlichen Bildungssystems. Der Bedarf ist groß. Von Verena Mayer

Die Forum Privatschule in der Ludwigsburger Gänsfußallee für eine türkische Schule zu halten ist nicht schwierig. Ihr Leiter Ahmet Ünver ist in der Türkei geboren, der Großteil ihrer Schüler hat türkische Wurzeln und 90 Prozent der Mitglieder des Trägervereins ebenfalls. Verein soziale Zusammenarbeit, Dialog und Integration heißt diese Institution, die die Ludwigsburger Privatschule vor drei Jahren gegründet hat - und die trotz aller Anzeichen nichts mit einer solchen Schule gemein hat, die einen Disput zwischen der deutschen Kanzlerin und dem türkischen Ministerpräsidenten entfacht hat. Tayyip Erdogan hatte türkische Schulen in Deutschland vorgeschlagen und das mit den anhaltenden Sprachproblemen vieler Türken hierzulande begründet.

 

Ahmet Ünver hingegen ist der Meinung, dass eine rein türkische Schule ihr Ziel verfehlen würde. "Integration ist nur möglich, wenn man die Sprache beherrscht", sagt der 43-Jährige, der 1979 nach Deutschland kam, seinen türkischen Pass längst abgegeben hat - und an dessen Schule Türkisch lediglich als Arbeitsgemeinschaft angeboten wird. Und statt Islam- oder Religionsunterricht steht Ethik im Stundenplan. 250 Euro ist den Eltern seiner Schüler der Unterricht pro Monat wert. Dafür bekommen sie eine Leistung, die Wissenschaftler zwar allenthalben fordern, die aber die wenigsten öffentlichen Schulen bieten können: eine individuelle Rundumbetreuung. In den Klassen sitzen maximal 20 Schüler, außer dem Klassenlehrer kümmert sich ein Lernbegleiter um die Kinder, man isst gemeinsam zu Mittag, danach sind Hausaufgabenbetreuung, Spanisch-, Musik- oder Theater-AG angesagt, vor jeder Klassenarbeit werden die Eltern informiert, und wenn nötig, gibt es so lange Förderunterricht, bis der Stoff sitzt.

Vor drei Jahren hat die Privatschule mit je einer fünften Klasse für Realschule und Gymnasium begonnen. Momentan unterrichten zehn Lehrer 120 Schüler. Bis es für jede Stufe eine Klasse gibt, dauert es noch ein paar Jahre. Es könnte schneller gehen, würde Ahmet Ünver alle Anmeldungen annehmen. Doch die Schule, die Kinder aus dem gesamten Landkreis und auch immer mehr deutsche anzieht, soll langsam wachsen, und die Klassen sollen klein bleiben. Deshalb gibt es eine Warteliste.

Das für die Bildung verantwortliche Kultusministerium schätzt solche Privatschulen, die nach dem Bildungsplan des Landes unterrichten. Sie könnten mit ihren Konzepten Impulse setzen, sagt eine Sprecherin. Impulse, die es angesichts der Nachfrage offenbar dringend braucht. Vorigen Herbst hat auch in Böblingen eine Privatschule für Migrantenkinder eröffnet. Wie in Ludwigsburg hat die Einrichtung ihren Ursprung in einem Nachhilfeangebot. Wie in Ludwigsburg haben die Beteiligten gelernt, dass viele Eltern ihren Kindern nicht selbst helfen können. "Deutschland soll die Migranten aber nicht verlieren", sagt Ahmet Ünver, der vom kommenden Schuljahr an, nach der Bewährungsphase sozusagen, einen Zuschuss vom Land bekommt. Damit könnten rund 80 Prozent der Kosten gedeckt werden.

Das Geld wird benötigt. Die Privatschule hat große Pläne. Zum neuen Schuljahr zieht sie in ein größeres Gebäude an der Martin-Luther-Straße, und eine erste Grundschulklasse soll eingerichtet werden. Einen neuen Namen wird die Einrichtung auch bekommen: Carl-Friedrich-Gauß-Schule. Damit jeder weiß, dass es sich um eine deutsche Schule handelt.