Eigentlich schien die „Einheitswippe“ aus Stuttgart für die Hauptstadt Berlin beerdigt. Doch nun sprach Bundestagspräsident Norbert Lammert ein Machtwort.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Berlin/Stuttgart - Standpauken scheinen manchmal doch etwas zu nützen: Die Rede des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert am vergangenen Sonntag vor der Bundesversammlung war aus vielerlei Gründen bemerkenswert; es ging darin bekanntlich um die Werte des Westens und der Demokratie. Und als Sahnehäubchen gab es zum Schluss oben drauf eine saftige Klage, wie nun schon seit zehn Jahren ein Beschluss des Bundestages missachtet werde, in Berlin ein Denkmal zur Erinnerung an die Bürgerrevolution in der DDR 1989 und zur deutschen Vereinigung zu errichten. Und dies, obwohl seit Jahr und Tag ein im internationalen Wettbewerb siegreicher Entwurf des Stuttgarter Büros Milla und Partner vorliegt, der aber nicht ausgeführt wird, weil, kurz gesagt, die Verwaltung die Freude am Entwurf verloren hat und die Kunde einer angeblichen Kostenexplosion in die Welt gesetzt wurde.

 

Lammert hat geschimpft – und prompt einigten sich am Dienstag der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Volker Kauder, und sein SPD-Kollege Thomas Oppermann, den Milla-Entwurf der längst schon sprichwörtlichen „Bürgerwippe“ am Spreeufer vor dem Portal des Humboldtforums nun doch zu bauen. Die Neuigkeiten aus Berlin kamen so überraschend, dass selbst im Stuttgarter Büro Milla und Partner um Worte erst gerungen wurde: „Ich freue mich natürlich für unser Projekt“, sagte der Unternehmenschef Johannes Milla dieser Zeitung. „Ich freue mich vor allem, dass der glücklichste Moment in der deutschen Geschichte nun auch Ausdruck in einem Denkmal findet.“ Wenn sich nach dem Berliner Entschluss nun ein „günstiges Arbeitstempo“ mit den zuständigen Behörden in der Hauptstadt entwickle, sei eine Fertigstellung des Denkmals „Bürger in Bewegung“ pünktlich zum dreißigsten Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2019 möglich.

Der erste Spatenstich soll nun bald kommen

Milla hat seit vergangenem April gegen das brüske Aus für seinen Entwurf gestritten. Damals beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages, den Bau des Einheitsdenkmals zu kippen. Begründet wurde dies mit angeblichen Kostensteigerungen von rund 10 auf 15 Millionen Euro. Dass derlei Berechnungen des Finanzministeriums nicht seriös waren, dass Milla zudem keine Gelegenheit bekam, damals Stellung zu nehmen, war auch der politisch federführenden Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) jederzeit klar. Aber sie nutzte offenbar schlicht die Chance, das von ihr nicht mehr geschätzte Projekt auf zügige Art entsorgen zu können. Nach Grütters’ Meinung reicht das Brandenburger Tor als Einheitsdenkmal aus.

Das Umschwenken der Koalitionsspitzen ist aber auch ein Erfolg des Kulturausschusses des Bundestages, der über Wochen hinweg in sehr großer Koalition gegen die Staatsministerin daran gearbeitet hat, die Entscheidung des politisch ungleich mächtigeren Haushaltsausschusses wieder rückgängig zu machen. Marco Wanderwitz, der kulturpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, ließ es sich darum nicht nehmen, den Erfolg persönlich in Berlin vor der Presse zu kommentieren: „Die Baugenehmigung liegt vor. Wir sollten nun bald den ersten Spatenstich machen.“