Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder haben sich auf Maßnahmen geeinigt, um abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben. In der Einigung spiegeln sich zahlreiche Lehren aus dem Fall Anis Amri wider.

Stuttgart - Die Zahlen steigen bereits: Verließen im Jahr 2014 noch gut 27 000 abgelehnte Asylbewerber Deutschland freiwillig oder unter Zwang, waren es 2015 bereits 58 000 und 2016 schon 80 000. Rund 25 000 Personen davon wurden, begleitet von der Polizei, in ihre Heimatländer abgeschoben. Nun wollen Bund und Länder diese Zahl noch einmal deutlich steigern – so haben es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die 16 Ministerpräsidenten bei einem Treffen am Donnerstagabend im Kanzleramt beschlossen. „Wir werden die vereinbarten Maßnahmen jetzt im Geiste der Kooperation umsetzen“, kündigte Merkel an, nachdem vor allem die SPD-regierten Bundesländer ihren Widerstand gegen die politische Vereinbarung aufgegeben hatten, die nun in konkrete und nochmals zu beratende Gesetzesentwürfe gegossen wird.

 

Sie taten dies vor allem im Hinblick darauf, dass das zuständige Nürnberger Bundesamt erst jetzt logistisch in der Lage ist, über die vielen Asylfälle aus dem Herbst 2015 zu entscheiden und Ablehnungsbescheide auszustellen. „Die Zahl der Ausreisepflichtigen wird dadurch 2017 weiter steigen“, heißt es im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz. „Es bedarf deshalb einer nationalen Kraftanstrengung, um zusätzliche Verbesserungen in der Rückkehrpolitik zu erreichen.“ Ein Schwerpunkt gelegt werden soll dabei nach dem von einem abgelehnten Asylbewerber begangenen Terroranschlag in Berlin „auf solche Ausreisepflichtigen, von denen Sicherheitsgefahren ausgehen können“. So soll etwa auch eine leichtere Überwachung solcher Gefährder oder der Entzug eines eventuell vorhandenen ausländischen Reisepasses ermöglicht werden.

Behörden sollen Zugriff auf Mobilfunkdaten von Flüchtlingen bekommen

Innerhalb von drei Monaten wird nun in der Bundeshauptstadt ein Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR) eingerichtet, in das auch die Länder Vertreter entsenden. „Es steht in ständigem Kontakt mit den Botschaften der Herkunftsländer und beschafft in allen Problemfällen die nötigen Dokumente für Personen, die Deutschland wieder verlassen müssen“, heißt es in dem Beschluss. Mit der neuen Koordinationsstelle soll versucht werden, die Schwierigkeiten zu überwinden, die im Falle des Terroristen Anis Amri offen zutage getreten sind. So hatte die für ihn zuständige Ausländerbehörde im nordrhein-westfälischen Kleve die für eine Abschiebung notwendigen Passersatzpapiere erst nach vielen Monaten und zwei Tage nach dem von ihm verübten Attentat erhalten.

Damit es seltener zu Täuschungen über die wahre Identität kommt, soll das Bundesamt die Angaben von Flüchtlingen mit deren Mobilfunkdaten abgleichen dürfen. „Bisher ist es nicht erlaubt, ein Handy auszulesen, damit wir herausfinden, ob es stimmt, was er sagt, oder nicht“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Der Auftrag von Kanzlerin Merkel und der Länderregierungschefs an ihre Innenminister, „ein Konzept zur Verbesserung der Kommunikationswege zwischen Ausländerbehörden und Sozialleistungsbehörden vorzulegen“, hat ebenfalls mit Amri zu tun: Ein in Duisburg anhängiges Verfahren wegen Sozialhilfebetrugs hatte andernorts keine Konsequenzen.

Die Einrichtung von Bundesausreisezentren wird geprüft

Beschleunigt werden sollen Abschiebungen durch die jeweiligen Bundesländer auch über den „vermehrten Einsatz von Amtsärzten oder vergleichbar geeignetem ärztlichen Personal zur Überprüfung der Reisefähigkeit vor Rückführungen“, wie es in der Beschlussvorlage hieß. Innenminister Thomas de Maizière hat bereits mehrfach die oft langwierigen medizinischen Verfahren kritisiert.

Tempo machen soll auch die zentralere Unterbringung von Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive. „Wenn Menschen erst einmal integriert werden durch ehrenamtliche Helfer in den Kommunen, ist eine Rückführung sehr viel schwieriger“, sagte Merkel nach der Sitzung. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering sagte für die SPD-geführten Länder ebenfalls, es sei „besser aus den Erstaufnahmeeinrichtungen abzuschieben“. Dort seien die Abschiebekandidaten „für die Polizei leichter greifbar“, worauf ein Ländervertreter am Rande der Sitzung hinwies.

Überraschend wenig Probleme hatten die Ministerpräsidenten auch damit, dass die Bundesebene von den Ländern „eine ergänzende Vollzugszuständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung übernehmen“ will und die Einrichtung von „Bundesausreisezentren“ prüfen lassen will. „Wir sehen das weniger als Eingriff in die föderale Struktur, sondern als Entlastung“, sagte ein Ländervertreter. Kanzlerin Merkel nannte als Ziel dieser geplanten Einrichtungen, „dass man mehr Sicherheit bekommt, am Tage der Rückführung auch das Flugzeug voll zu bekommen“.