Manche Bäckereien verkaufen seit einiger Zeit sogenannte Eiweißbrote. Diese sollen schlank machen – am besten noch im Schlaf. Abnehmer für die kohlenhydratarmen Lebensmittel gibt es viele. Ernährungsexperten zufolge hält die Backware allerdings nicht, was die Hersteller versprechen.
Stuttgart - Schlank im Schlaf trotz Abendbrot – mit Versprechen wie diesem werben manche Bäcker derzeit für eine neue Brotsorte. Das Eiweißbrot beflügelt die Vorstellung all jener, die sich das Leben mit einer Low-Carb-Diät, also einer kohlenhydratarmen Ernährung, leichter machen wollen. Gekauft wird es vermutlich auch von Anhängern einer Insulin-Trennkost, denn es soll die Produktion von Insulin reduzieren, welches den Fettabbau hemmt.
Die Brote enthalten einigen Herstellern zufolge nur sechs Prozent Kohlenhydrate, aber dafür 21 Prozent Eiweiß. Ein Hersteller wirbt sogar damit, sein Produkt schaffe es auf 33 Prozent. Ein herkömmliches Weizenmischbrot besteht aus 44 Prozent Kohlenhydraten und aus fünf Prozent Eiweiß. Je nach Rezept sind in den Eiweißbroten zum Beispiel Mandeln, Sonnenblumenkerne, Leinsamen, Kleie, Soja oder Lupine enthalten. Mit bis zu 17 Prozent mehr Fett als herkömmliche Brote sind sie in der Kombination sehr reichhaltig. Das, betonen die Befürworter, sorge für ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl – und das Plus an Eiweiß rege die Fettverbrennung an.
Dem lässt sich allerdings entgegnen: die Brote sind ganz schön fett. „Sie haben oft mehr Kalorien als ein herkömmliches Brot“, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Eine Lösung für Menschen mit Gewichtsproblemen sind sie aus ihrer Sicht daher nicht.
Brot allein macht nicht dick
Aber stimmt die These der Diätgurus überhaupt, die besagt, dass die Kohlenhydrate im Brot dick machen? Verfechter der Atkins-Diät vertreten beispielsweise die Meinung, es sei gesünder, die Kohlenhydrat-Zufuhr auf ein Minimum zu senken. Denn Kohlenhydrate wirken sich der Theorie zufolge negativ auf den Stoffwechsel aus und fördern das Übergewicht. „Weder Nudeln noch Brot allein machen dick“, sagt dagegen die Ernährungswissenschaftlerin Ina Bergheim von der Universität Hohenheim. Was den Zeiger auf der Waage nach rechts ausschlagen lässt, sind bei Nudeln die Soße und beim Brot der Belag.
Vielen Diäten liegt das Schlank-im Schlaf-Prinzip zugrunde, worauf auch die Hersteller der Eiweißbrote setzen. Es besagt, dass während der Diät auf die schnellen Energielieferanten verzichtet werden soll, damit die Insulinausschüttung im Körper vor allem während der Nacht niedrig gehalten werden kann. Und das wiederum soll Fettpölsterchen schmelzen lassen. „Es kann aber auch zur Folge haben, dass die Hungernden nachts den Kühlschrank leerräumen“, sagt Bergheim. Was am Ende des Tages zähle, sei ausschließlich die Gesamtkalorienbilanz. Das bestätigt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Bei einer Diät komme es nicht darauf an, wann der Mensch welche Nährstoffe aufnehme. Es zähle nur die gesamte Energiebilanz.
Nichts zum abnehmen: Zehn Prozent mehr Fett und Kalorien
Was aber die Energiebilanz betrifft, schneidet gerade das Eiweißbrot schlechter ab als andere Brote. Der Stiftung Warentest zufolge liefern manche Brote zehn Prozent mehr Fett und Kalorien. Das Fett benötigen die Bäcker für die Konsistenz. Drei wichtige Nährstoffe liefern dem Körper Energie: Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett. Werden die Kohlenhydrate im Brot reduziert, kompensiert das der Bäcker mit den eiweißreichen, pflanzlichen Zutaten. Positiv sei aber, so die Warentester, dass das Brot dadurch reich an Ballaststoffen ist. Und die sind gut für die Verdauung. Nur der Preis schlägt vielleicht auf den Magen: 400 Gramm kosten im Schnitt rund drei Euro.
Der Preis dürfte daher kommen, dass die verwendeten Pflanzenfasern und Kleie teurer sind als herkömmliches Getreidemehl. Nicht jeder Bäcker freut sich indes über den Trend. In Internetforen schimpft manch Bäckermeister über die Konsistenz (fluffig, gummiartig) und den Geschmack der kohlenhydratarmen Backwaren.
Die Kassen klingeln wohl dennoch: es gibt sicherlich einige Kunden, die bereit sind, mehr Geld für ein Brot auszugeben, das in ihre spezielle Diät passt. Ungesund ist das Brot Ernährungsexperten zufolge jedenfalls nicht. Aber den Sinn dahinter zweifeln viele an. Vielleicht bleibt es eine Modeerscheinung, die sich vorübergehend in die 2583 Brot- und Brötchensorten einreiht, die das Deutsche Brotregister derzeit verzeichnet. Alle, die sich vom Eiweißbrot eine schlanke Taille erhoffen, müssen nun jedenfalls ganz stark sein: Die neuen Brote lassen die Pfunde nicht automatisch purzeln – es gibt nach wie vor kein Wundermittel gegen Rettungsringe. Sondern nur die eine, simple Lösung: weniger essen, mehr bewegen.