Die Elefanten im Heidelberger Zoo haben den "Neuen" gut aufgenommen. Zum ersten Mal wurde ein Jungbulle in eine bestehende Gruppe integriert.

Heidelberg - Von jugendlichem Übermut ist in diesen überwiegend sonnigen Frühlingstagen auf der Elefantenanlage im Heidelberger Zoo nicht allzu viel zu spüren. Gemessenen Schritts paradieren junge Dickhäuter - allein, zu zweit, zu dritt und wenn man Glück hat auch zu viert - einer hinter dem anderen oder eng aneinander geschmiegt über das Gelände und blasen sich Sand auf den Rücken. Nur selten wird ein wenig gerangelt, oder es ertönt ein kräftiger Trompetenstoß. "Schau nur, wie schön sie marschieren!" sagt eine Frau.

 

Im Juni vorigen Jahres hat der Heidelberger Zoo als erster Tierpark in Deutschland und nach Sevilla und Rotterdam als dritter in Europa eine Gruppe für junge Elefantenbullen eingerichtet, mit deren gemeinsamer Haltung es bisher erst wenig Erfahrung gibt. Drei Tiere - Voi Nam, Thai und Tarak - im Alter zwischen heute sechs und neun Jahren kamen damals aus Hamburg, Hannover und Leipzig an den Neckar, wo sie sich inzwischen gut eingelebt haben.

Der Neuzugang wird über die Mauer "berüsselt"

Ende März haben die drei nun nochmals Verstärkung erhalten. In Absprache mit den Fachleuten des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms kam Gandhi (fünf) aus dem Zoo in Kopenhagen. Es war eine weltweltweite Premiere, noch nie zuvor hatten Fachleute das Experiment gewagt, einen neuen jungen Bullen in eine bestehende Gruppe einzugliedern. Man hoffe, dass Gandhi "seinem Namen Ehre macht und sich seinen Platz in der Gruppe gewaltfrei sichert", hatte der Heidelberger Zoodirektor Klaus Wünnemann daher kurz vor der Ankunft des neuen Bewohners erklärt.

Diese Hoffnung hat sich bisher erfüllt. Zwei Tage lange haben sich die alten Bewohner und der Neue über Zäune und Mauern hinweg beschnuppert und "berüsselt", dann schien es den Pflegern an der Zeit, sie zueinander zu lassen. "Seit zwei Wochen sind die vier nun gemeinsam auf der Anlage, drinnen und draußen, auch während der Nacht", schildert der stellvertretende Revierleiter Tobias Kremer. "Es hat keine Reibereien gegeben, keine kritischen Situationen, die Tiere sind ruhig. Wir sind ziemlich happy, wie es bisher gelaufen ist."

Das Interesse an der Entwicklung ist groß

"Gandhi hat sich eingefügt in die Position des Rangniedrigsten, auch gegen den bisher jüngsten Bewohner, den sechsjährigen Tarak, zeigt er sich nicht aufmüpfig", erklärt der Pfleger. Auch Sandra Reichler, die Kuratorin des Zoos ist zufrieden. "Der kleine Gandhi ist zwar noch nicht voll integriert, er steht oft noch etwas allein und ist relativ unsicher", sagt die Zoologin. "Aber bisher ist alles gut gegangen, die anderen fordern ihn immer wieder auf mitzukommen." Gespannt warten die Betreuer und die zahlreichen Stammbesucher nun darauf, wie sich die Beziehungen in der Gruppe künftig gestalten.

Dort hatten sich schon früh der "Leitbulle" Voi Nam und der viel kleinere Tarak eng zusammengeschlossen, während der auch schon überaus stattliche Thai öfter allein blieb. Das, so hoffen die Betreuer, soll sich mit dem vierten jungen Bullen nun ändern. Das Interesse an der Entwicklung in Heidelberg ist auch bei den Experten groß. Beim Europäischen Erhaltungszuchtprogramm hofft man, dass das Heidelberger Beispiel Nachahmer finde.

Die Jungbullen-WG kommt ins Fernsehen

Sechsmal hat es im vergangenen Jahr Nachwuchs gegeben

Insgesamt halten 25 deutsche Zoos derzeit 144 in der Mehrzahl indische Elefanten. Sechsmal hat es im vergangenen Jahr Nachwuchs gegeben; vier kleine Bullen und zwei Elefantenkälber sind in Berlin und Hannover geboren worden. Weitere sechs kleine Elefanten sind in anderen Zoos in Europa auf die Welt gekommen.

Männliche und weibliche Jungtiere wachsen zunächst zusammen mit ihren Müttern und Tanten in der Gruppe auf; mit etwa vier bis fünf Jahren werden die jungen Bullen dann aber hinausgedrängt - in freier Wildbahn, ebenso wie in Zoos. Erst als Erwachsene stoßen die Zuchtbullen dann wieder zu einer Herde von Kühen, aber nur für die Paarung. Mit den Bullengruppen will man den "jungen Wilden" in den Zoos eine möglichst natürliche Sozialstruktur bieten, in der sie in Gesellschaft heranwachsen und voneinander lernen können, ehe sie später selbst in einem anderen Zoo eine Zuchtgruppe übernehmen.

Noch ist völlig offen, wie lange die derzeitigen Bewohner der Heidelberger Gruppe zusammenbleiben. "Wir rechnen damit, dass es etwa bis zum Alter von zwölf bis 14 Jahren gehen wird", erklärt Sandra Reichler. "Das ist das Alter, in dem sie für Kühe wieder interessant werden."

Die Entwicklung der Heidelberger "Jungbullen-WG" hat ein SWR-Team verfolgt. Der Film wird am Sonntag um 13.15 Uhr in der ARD gezeigt.

Die jungen Elefanten lernen schnell

Haltung: Die Jungbullen werden in Heidelberg im sogenannten „geschützten Kontakt“ gehalten. Dabei bleiben die Pfleger immer hinter einer Barriere. Die Tiere müssen sich nicht unterordnen, und zugleich sind die Betreuer vor möglichen Attacken sicher.

Training: Einmal am Tag wird trainiert. Dabei beschäftigen sich die Pfleger durch ein Gitter etwa 20 Minuten lang einzeln mit den Tieren, um sie , angespornt durch Belohnungen, in Stellungen zu bringen, die für die Fußpflege oder medizinische Eingriffe nötig sind.

Lernerfolge: „Es ist unglaublich, wie viel die Tiere schon gelernt haben“, sagt Zookuratorin Sandra Reichler. So präsentieren die ersten drei Bewohner der WG auf Wunsch ein Ohr, um sich für die medizinische Überwachung Blut abnehmen zu lassen.