Im Zentrum für Elektromobilität will Stuttgart seine Stärken vorführen. Die Probleme werden ausgeblendet. Andere Städte sind deutlich weiter.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Ein reines Elektroauto, hergestellt in der Region Stuttgart, kann der Normalbürger noch nirgends kaufen - da muss er zu Peugeot oder Mitsubishi gehen. Aber anschauen geht schon: Seit einem knappen Jahr zeigen 20 Unternehmen und Forschungsinstitute im Zentrum Elektromobilität in der Türlenstraße, woran sie herumtüfteln. Am Daimler-Stand kann der Besucher eine aufgeschnittene A-Klasse inspizieren und erfahren, wie eine Brennstoffzelle funktioniert. Bei Bosch darf jeder einen Elektromotor zerlegen, zumindest am Bildschirm. Und bei Siemens wird die Ladestation der Zukunft vorgestellt: Nur kurz dockt sich ein Auto an, und ist der Strompreis hoch, kann der Fahrer die Energie sogar weiterverkaufen.

 

Wie stark die Region in der Elektromobilität ist - das wollte Oberbürgermeister Wolfgang Schuster mit dem Zentrum demonstrieren, das auf 1000 Quadratmetern in der ehemaligen Mercedes-Benz-Niederlassung an der Heilbronner Straße eingerichtet worden ist. Die Stadt ist zufrieden: "Dieses Zentrum ist einzigartig in Deutschland", sagt Günter Stürmer vom OB-Büro. 10.000 Besucher seien bereits da gewesen, darunter sogar Wissenschaftler, die eigens von der Universität Dortmund nach Stuttgart gekommen seien. Vermutlich sind auch sie mit den ausgestellten Elektrorädern durch die Gänge gedüst, ebenso wie vor kurzem die neue First Lady Gerlinde Kretschmann. Ihr sei das E-Moped aber zu schnell, hinterließ sie im Gästebuch.

Provisorisch, unübersichtlich und ohne Konzept

Nicht nur Schüler können in der Ausstellung viel über Elektromobilität lernen. Überraschend ist schon, was es alles zu bedenken gibt. Wie kann man über das Handy den Ladevorgang seines Autos anschalten? Wie schafft man es, dass alle Hersteller in Europa den gleichen Stecker verwenden? Und wie verändert man die Bildungspläne, damit künftig jeder Automechaniker auch etwas Ahnung von Starkstrom hat.

Angesichts der enormen Tragweite der E-Mobilität wirkt das Zentrum dennoch provisorisch, unübersichtlich und ohne Konzept. So hat jedes Unternehmen seinen Stand auf eigene Faust platziert; der Besucher findet ein Sammelsurium an Formen, Farben und Inhalten vor. Und überall liest man statt neutraler Information schöne Werbesprüche, die die Probleme der neuen Technologie zu kaschieren versuchen. Dass die E-Autos noch viel zu teuer sind und dass die Batterien nach 100 Kilometern schlapp machen, erfährt man höchstens zwischen den Zeilen.

Das E-Auto aus Stuttgart lässt noch auf sich warten

Das Zentrum für Elektromobilität ist deshalb vor allem eine Leistungsschau der heimischen Wirtschaft. Und da gibt es tatsächlich Positives zu vermelden. Jonas Quincke vom Bundesverband E-Mobilität lobt zum Beispiel die Energie Baden-Württemberg, die mit ihren 500 Elektrorollern in Stuttgart die größte Testflotte in ganz Europa eingesetzt habe. Dieser Test ist gerade um zwei Monate bis Ende August verlängert worden. Daimler ist bei der Brennstoffzelle weltweit führend, wenngleich die Serienreife noch mindestens drei Jahre entfernt liegt. Günter Stürmer bescheinigt Porsche und Daimler, dass sie bei den E-Autos auf Qualität achten und lieber in Kauf nehmen, etwas später in den Markt zu gehen. Und Guido Weißmann vom Forum Elektromobilität in Berlin betont, dass die Autobauer beim Thema Sicherheit der E-Autos sehr stark seien.

Und doch. In vielen Bereichen hechelt die Wirtschaft der Region und ganz Deutschlands den Wettbewerbern hinterher. Vor wenigen Tagen hat die IHK Stuttgart eine Studie präsentiert: Kleinere und mittlere Autozulieferer im Land seien bisher kaum auf den Technologiewandel vorbereitet - viele glaubten, er beträfe sie gar nicht. Was die Batterieproduktion anbetrifft, so habe Deutschland die Entwicklung schon in den 1980er Jahren verschlafen, kritisiert Kurt Sigl, der Präsident des Bundesverbandes E-Mobilität. Bei der Lithium-Ionen-Technologie entfallen heute 90 Prozent der Marktanteile auf Japan, Korea und China. Und die Nationale Plattform Elektromobilität, in der alle namhaften Akteure vertreten sind, stellt in ihrem Zwischenbericht fest: "Die chinesischen Programme zur Elektromobilität und die großen Hybridvolumina japanischer Hersteller sind eine ernste Gefahr" für die deutsche Wirtschaft. Gerade in der Region Stuttgart, in der 200.000 Jobs am Auto hängen, könnte die technologische Zeitenwende soziale Probleme mit sich bringen - wenn die Hersteller nicht aufholen.

Stuttgart hinkt hinterher

Die Stadt Stuttgart will ihren Teil dazu beitragen - mit dem Zentrum Elektromobilität, mit einem eigenen E-Fuhrpark und mit dem Aufbau einer Infrastruktur. So hat die Stadt jetzt einen E-Smart angeschafft; das Auto kostet allerdings 700 Euro Leasingrate im Monat und ist für Privatpersonen gar nicht zu haben. Und in der Rathausgarage können die vier Stuttgarter Besitzer eines Tesla-Elektrosportwagens mittlerweile einen Parkplatz mit Steckdose ansteuern. Dennoch: Andere Städte sind selbstbewusster - und deutlich weiter. So fahren in London schon mehr E-Mobile als in ganz Deutschland. Hamburg hat erklärt, dass die Stadt sich als Vorreiter des kommunalen Umweltschutzes positionieren wolle. Und Berlin hat sich unbescheiden das Ziel gesetzt, das Zentrum für Elektromobilität in ganz Europa zu werden.

Stuttgart formuliert solche Ziele nicht, glaubt aber weiter an seine Spitzenposition. "Wir reden nicht so viel, sondern tun lieber was", sagt Günter Stürmer. Man darf also gespannt sein, wann das bezahlbare E-Auto aus Stuttgart im Showroom steht.


Öffnungszeiten: Das Zentrum Elektromobilität in der Türlenstraße 2 ist von Dienstag bis Sonntag von 13 bis 19 Uhr geöffnet.