Ouattara-Kämpfer sollen hunderte Menschen hingerichtet haben. Die UN evakuieren ihre Mitarbeiter nach Angriffen auf ein Büro.

Abidjan/Johannesburg - Die UN haben Kämpfern des international anerkannten Präsidenten der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, „außergerichtliche Hinrichtungen“ von mehr als 330 Menschen im Westen des Landes vorgeworfen. Die Regierung Ouattaras wies die Vorwürfe am Samstagabend zurück und beschuldigte UN-Friedenstruppen, die Stadt Duékoué verlassen und die Zivilisten dort „rachsüchtigen“ Milizsoldaten des abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo überlassen zu haben.

 

Ouattaras Truppen wollten am Sonntag erneut auf die Stadt Abidjan vorrücken, um Gbagbo zum Amtsverzicht zu drängen. Die UN ließen Mitarbeiter evakuieren. In einem Telefongespräch mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon habe Ouattara die Vorwürfe gegen seine Kämpfer zurückgewiesen und erklärt, eine Untersuchung der Vorfälle angeordnet zu haben, hieß es in einer Erklärung der Vereinten Nationen.

Massaker mit mehr als tausend Opfern

Zuvor hatte die Hilfsorganisation Caritas mitgeteilt, in Duékoué seien mehr als 1.000 Menschen einem Massaker zum Opfer gefallen. Die Tötungen hätten sich in der vergangenen Woche in einem Stadtviertel ereignet, das Ouattara-Kämpfer unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Caritas erklärte, sie wisse nicht, wer für die Morde verantwortlich sei. Caritas-Sprecher Patrick Nicholson sagte am Samstag, Mitarbeiter der Hilfsorganisation hätten in einem Stadtviertel zahlreiche Leichen entdeckt. Die Opfer seien durch Schüsse getötet und mit Macheten zu Tode gehackt worden.

Ivorische Entwicklungshelfer, die in Duékoué waren, erklärten, Überlebende dort machten Ouattara-Kämpfer für die Morde verantwortlich. Als die Truppen in die Stadt gekommen seien, hätten sie Augenzeugenberichten zufolge sofort das Viertel Carrefour angesteuert, das von einer Gbagbo-Miliz kontrolliert worden war. „Es gab große angelegte Tötungen, sie steckten den Ort in Brand und fackelten das Viertel vollständig ab“, sagte ein Entwicklungshelfer, der anonym bleiben wollte.

Ouattaras Regierung warf Truppen Gbagbos vor, vor ihrem Rückzug aus Duékoué dort rund 100 Zivilisten getötet zu haben. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Guillaume Ngata machte am Samstag Anhänger Gbagbos ebenfalls für den Tod von 100 Zivilisten in der westlichen Stadt verantwortlich.

Clinton äußert sich besorgt

US-Außenministerin Hillary Clinton sagte, die USA seien „zutiefst besorgt“ über die Berichte, wonach es in der Elfenbeinküste zu einem Massaker an 1.000 Menschen und Verstöße gegen die Menschenrechte gegeben habe. Sie forderte Gbagbo zu einem sofortigen Rücktritt auf und mahnte Anhänger Ouattaras, die Kriegsgesetze zu respektieren und die Angriffe auf Zivilpersonen einzustellen. Clinton appellierte an die UN-Friedenstruppen in dem Gebiet, ihr Mandat durchzusetzen, um das Volk der Elfenbeinküste zu beschützen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch teilte mit, sie habe Fälle von Missbrauch verzeichnet, für die größtenteils Gbagbo-Anhänger verantwortlich seien. Die Taten seien an tatsächlichen oder mutmaßlichen Anhängern Ouattaras sowie an westafrikanischen Einwanderern und Muslimen verübt worden. Die Organisation erklärte, sie habe auch „glaubwürdige Berichte von Taten erhalten, die begangen wurden, als Ouattaras Truppen die Kontrolle über mehrere Städte im Westen (der Elfenbeinküste) übernahmen“.

UN lassen Mitarbeiter nach Angriffen auf Büro evakuieren

Die Vereinten Nationen begannen mit der Evakuierung von rund 200 Mitarbeitern, nachdem es wiederholt zu Angriffen auf die UN-Zentrale in der Elfenbeinküste gekommen war. Aus UN-Kreisen verlautete, die Mitarbeiter würden mit Hubschraubern zum Flughafen von Abidjan gebracht. Von dort würden sie per Hubschrauber in die nördliche Stadt Bouake gebracht. Der Evakuierungsanordnung gelte für „notwendiges Personal“, hieß es. Andere Mitarbeiter waren bereits vor einigen Monaten evakuiert worden.

Unterdessen kündigte ein Berater Ouattaras an, Truppen hätten sich am späten Samstagabend vor der Wirtschaftsmetropole Abidjan versammelt und wollten am Sonntag vorrücken. Sie wollten damit Gbagbo den letzten Stoß versetzten, Ouattara das Präsidentenamt zu überlassen.

Nach dem raschen Vormarsch von Kämpfern Ouattaras in den vergangenen Tagen riefen Anhänger Gbagbos im ivorischen Staatsfernsehen zum Widerstand auf. Die Regierung von Gbagbo forderte Zivilpersonen auf, einen menschlichen Schutzschild um das Büro und die Residenz Gbagbos zu bilden. Hunderte junge Männer waren am Sonntag in der Nähe des Präsidentenpalasts in Abidjan versammelt. Anhänger einer Gbagbo nahestehenden Jugendmiliz hatten bereits am Samstag eine zum Palast führende Brücke eingenommen.

Ouattara-Truppen kontrollieren mittlerweile rund 80 Prozent des Landes. Sie rückten bereits am Freitag nach Abidjan vor. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP hörte am Samstag rund zwei Häuserblocks vom Präsidentenpalast in der Stadt entfernt Schüsse und Explosionen.