Frustriert sind die Eltern von Schulkindern in den Schwarzwaldgemeinden Breitnau und Hinterzarten, weil der Antrag auf Einrichtung eine Gemeinschaftsschule abgelehnt wurde. Haben sie eine zweite Chance?

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Hinterzarten - Frustriert – das sagt man im Alemannischen nicht. „Versäckelt“ trifft den Gemütszustand besser, in dem sich Eltern von Schulkindern in den Schwarzwaldgemeinden Breitnau und Hinterzarten befinden, nachdem der Antrag auf Einrichtung eine Gemeinschaftsschule im Hochschwarzwald abgelehnt wurde. Der Bürgermeister von Hinterzarten sagt: „Ich fühle mich an der Nase herumgeführt.“ Klaus-Michael Tatsch (CDU) ist seit drei Jahren Schultes in dem Kurort, zuvor amtierte er in Leck in Schleswig-Holstein, kurz vor der dänischen Grenze.

 

Dabei hatte alles so gut ausgesehen: Im Mai 2012 waren der Freiburger Schulamtsdirektor Manfred Vossler und aus dem Kultusministerium Rudolf Bosch nach Hinterzarten gekommen. „Die fanden alles ganz toll und haben uns auf die Schulter geklopft, dass es schon fast weh tat“, erinnert sich Stefan Krauss. Zusammen mit rund 40 anderen Eltern hatte sich der Typograf und Vater von drei Kindern zu einer Initiative für eine Gemeinschaftsschule zusammengeschlossen, die ein großes Einzugsgebiet zwischen St. Märgen und Neustadt haben würde. Den Eltern gefiel die Vorstellung, dass ihre Kinder länger gemeinsam lernen. „Wir haben Informationsveranstaltungen gemacht und andere Eltern überzeugt, mitzumachen“, sagt Sportdiplomlehrerin Ina Eckert-Steiert, Mutter von drei Kindern.

Plötzlich war die Schülerzahl zu gering

Sie haben Experten, sogar welche aus Finnland für einen Vortrag über die dortigen Erfahrungen gewonnen, sie sind zu Besuch bei den Starterschulen gewesen. Sie hatten Bürgermeister, Schule und – einstimmig – den Gemeinderat hinter sich. Doch im Sommer zogen Wolken auf. „Plötzlich stand die Zahl 40 im Raum und unbedingte Zweizügigkeit“ sagt Martin Wangler. „Wir hatten 33 Zusagen, hätten wahrscheinlich noch mehr erreicht.“ Der Schauspieler und Kabarettist, Vater von vier Kindern, erzählt: „Auf einmal hieß es, die Schule in Hinterzarten sei noch nicht so weit. Vorher sagte man, es sei Zeit für eine Entwicklung.“ Dabei habe man bereits mit den Lehrern über Arbeitsgruppen und Elternengagement gesprochen, „da war richtig Begeisterung drin“.

Drei Tage vor den Sommerferien 2012 kam eine Visite von Vertretern der Schulämter Freiburg und Konstanz – danach die Empfehlung, lieber zu warten. „Wir haben die ganzen Einwände entkräftet“, findet Bürgermeister Tatsch. Doch im Februar wurde der Antrag abgelehnt. Das Schulamt meint, dass es auf Dauer zu wenige Kinder für eine zweizügige Gemeinschaftsschule in Hinterzarten gibt, außerdem sei das pädagogische Konzept nicht ausgereift genug.

Im Nachbarkreis Lörrach gab es Proteste

Von der Enttäuschung haben sich Eltern, Schule und Gemeinde bis heute nicht erholt. Schulamtsdirektor Manfred Vossler verteidigt die Entscheidung: „Wir haben uns strikt an die bildungspolitischen Vorgaben der Regierung gehalten.“ Es habe auch an den fehlenden baulichen Voraussetzungen gelegen.

Die Hinterzartener wundern sich, wenn sie über den Feldberg hinweg nach Todtnau im Nachbarkreis Lörrach schauen. Dort hat es auch eine Initiative gegeben – allerdings gegen die Gemeinschaftsschule. Trotzdem wurde eine solche genehmigt. Das findet auch Schulamtsdirektor Vossler „sehr seltsam.“ Vater Stefan Krauss sagt: „Bei uns sind die Eltern dafür, dort dagegen – was ist eigentlich mit dem Elternwillen?“ Außerdem: Viele der in einer zweiten Tranche genehmigten Gemeinschaftsschulen haben weder die Zahl von 40 Schülern und auch keine Zweizügigkeit erreicht – und dennoch grünes Licht bekommen haben.

Jetzt kommt Titisee-Neustadt ins Spiel

Rudolf Bosch, mittlerweile Schulpräsident im Freiburger Regierungspräsidium und ein ausgesprochener Anhänger der Gemeinschaftsschule, äußert sich zum Hochschwarzwald nicht mehr selber. Sein Grundsatzreferent Martin Vossler, Bruder des Schulamtsdirektors versucht, die Wogen zu glätten. Die Hinterzartener sollen doch „jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken“, sondern einen neuen Antrag, diesmal zusammen mit der Gemeinde Titisee-Neustadt stellen. Diese Idee stößt weder bei der Gemeinde Hinterzarten noch bei den Eltern auf Gegenliebe. Auch nicht die Absicht, weiterführende Schulen künftig an wenigen Standorten zu konzentrieren. Nach Neustadt sind es mehr als zwölf, nach Hinterzarten sechs Kilometer Schulweg.

Junge Leute auf dem Land brauchen Bildung

Im Moment hat der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald keine einzige, der Stadtkreis Freiburg eine und der Landkreis Emmendingen gar keine Gemeinschaftsschule. Im Landkreis Lörrach dagegen gibt es vier, im Schwarzwald-Baar-Kreis fünf. „Die Gemeinschaftsschule ist auch eine Chance, Schulen im ländlichen Raum überhaupt zu sichern“, sagt Mutter Ina Eckert-Steiert. Bildung sei im ländlichen Raum ein wichtiger Standortfaktor, sagt der Bürgermeister. „Wenn man will, dass die jungen Leute hier bleiben, muss man ihnen Bildungschancen bieten“, sagt Vater Martin Wangler. Eine menschenleere Kulisse mit viel Tannenwald nütze auch dem Tourismus nicht.

Am 12. September will das Regierungspräsidium Bürgermeister, Schulleiter, und andere Entscheidungsträger in Teningen zur Auftaktveranstaltung für einen regionalen Schulentwicklungsplan versammeln. „Den hätte man schon früher machen sollen“, seufzt Bürgermeister Tatsch. „Dann wären wir nicht ins Leere gelaufen.“