Eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Ebola-Epidemie hat das westafrikanische Land Sierra Leone die Seuche besiegt. Das wird gefeiert. Doch die sechs Millionen Einwohner müssen auch weiterhin auf der Hut sein.

Freetown - Erstmals war das mörderische Virus ein Anlass zur Freude. Der zentrale Platz in der sierra-leonischen Hauptstadt Freetown war am Samstag ausnahmsweise einmal nicht von Autos verstopft: Tausende von Einwohner des westafrikanischen Kleinstaats drängelten sich am Kreisel um einen 600-jährigen Baumwollbusch herum, um zu feiern und sich gegenseitig um den Hals zu fallen. Zum ersten Mal seit 18 Monaten mussten sie dabei nicht befürchten, vom Ebola-Virus infiziert zu werden. Denn 42 Tage, nachdem der letzte Krankheitsfall gemeldet worden war, wurde das Land am Samstag von der Weltgesundheitsorganisation WHO als frei von Ebola erklärt.

 

Staatspräsident Ernest Bai Koroma pries bei einer offiziellen Feierstunde die 35 000 Gesundheitshelfer, „deren Heroismus in der Geschichte unseres Landes ohne Parallele ist“, und ein Projektor strahlte die Namen aller 3955 Sierra-Leoner auf eine Leinwand, die dem Virus zum Opfer gefallen waren. Es war ein Freudenfest mit dunklen Schatten. Der Pfleger Yusuf Kamara, der die Krankheit selbst überlebt aber 16 Mitglieder seiner Familie verloren hatte, erinnerte an die 230 Pflegekräfte, die sich unter den Opfern befinden. „Für uns ist Ebola nicht vorbei“, rief Kamara. „Jetzt müssen wir die zahllosen Probleme in den Griff bekommen, die unser Gesundheitssystem in Trümmer gelegt haben.“

Erkrankte wurden oft versteckt und gar nicht gemeldet

Die ersten Opfer der Epidemie wurden in Sierra Leone im März 2014 registriert. Zwei Frauen hatten bei der Beerdigung eines traditionellen Heilers im Nachbarstaat Guinea teilgenommen und waren wenig später mit hohem Fieber gestorben. Sowohl die WHO wie die sierra-leonische Regierung reagierten auf den Seuchenausbruch völlig unangemessen. Während die UN-Organisation zunächst abwiegelte, versetzte die Regierung in Freetown mit drakonischen Maßnahmen wie der Abriegelung ganzer Landstriche und der Ausrufung des Ausnahmezustands die Bevölkerung in Panik. Dass die Sierra-Leoner ihrer Regierung misstrauten und Erkrankte oft nicht meldeten sondern versteckten, gilt als einer der Gründe, warum die Seuche so lange nicht in den Griff zu bekommen war.

Tatsächlich müssen die sechs Millionen Einwohner Sierra Leones auch weiterhin auf der Hut sein. Denn während bereits vor zwei Monaten auch der östliche Nachbarstaat Liberia als Ebola-frei erklärt worden war, wurden aus dem nördlich gelegenen Guinea in den vergangenen drei Wochen wieder sieben Neuansteckungen gemeldet – und zwar lediglich 30 Kilometer von der sierra-leonischen Grenze entfernt.

Das Virus kann wohl in Spermien länger überleben

Entwarnung wird in Freetown deshalb noch nicht gegeben: Das wird erst dann der Fall sein können, wenn auch Guinea als letzter Ebola-Staat als virenfrei erklärt wird. Insgesamt fielen der Seuche in den vergangenen eineinhalb Jahren fast 11 500 Menschen zum Opfer, rund 17 000 steckten sich an, 5 500 Infizierte überlebten das Virus. In Großbritannien sorgte kürzlich der Fall einer Krankenschwester für Aufsehen, die als geheilt entlassen worden war, mehrere Monate später jedoch mit einem neuen Ebola-Ausbruch wieder in die Klinik eingeliefert werden musste. Offensichtlich kann das Virus im Körper „überwintern“, vor allem in Spermien und Eierstöcken wohl bis zu neun Monate lang.