Rund 96 Millionen Euro will die Landeshauptstadt Stuttgart in die Kooperationsgesellschaft mit der EnBW zum Betrieb der Stuttgarter Energienetze für Strom und Gas investieren.
Stuttgart - Rund 96 Millionen Euro will die Landeshauptstadt in die Kooperationsgesellschaft mit der Energie Baden-Württemberg (EnBW) zum Betrieb der Stuttgarter Energienetze für Strom und Gas investieren. So kämen „zwei potente Partner zusammen, mit denen die Energiewende in Stuttgart entschlossen vorangetrieben werden kann“, begründete Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) den Schritt, für den der zuständige Ratsausschuss mit großer Mehrheit votiert hat. Kritikern, die in der Empfehlung eine politische Entscheidung zu Gunsten der EnBW sehen, hielt Kuhn entgegen, das Verfahren sei nach den strengen Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und des Kartellamts verlaufen und somit „rechtsfest“.
Wie berichtet, wollen die Kooperationspartner eine Eigentumsgesellschaft gründen, an der die Stadt von Anfang an den Mehrheitsanteil von 74,9 Prozent halten wird. In der Betreibergesellschaft dagegen wird Stuttgart fünf Jahre lang nur Minderheitseigner sein. Nach dieser Übergangszeit entsteht eine „große Netzgesellschaft“, deren Wirken auf 20 Jahre festgelegt wird; die Stadt hat dann bei Eigentum und Betrieb 74,9 Prozent. Die Herauslösung der Netze aus dem EnBW-Verbund dauere beim Strom zwei, beim Gas fünf Jahre. Diese sogenannten Entflechtungskosten lägen beim Stromnetz bei etwa acht Millionen Euro, beim Gasnetz bei 23 Millionen Euro, wobei letzter Wert als zu hoch gegriffen gilt. Diese Ausgaben sollen aber nach der Herauslösung wegen der hohen Dichte des Stuttgarter Netzes mit 90 000 angeschlossenen Haushalten überkompensiert werden. Kuhn stellte in Aussicht: „Der Strompreis kann sinken.“ In welcher Höhe, könne er aber nicht sagen.
Die Bewertung der Angebote hat sich an den Zielen des EnWG orientiert. Diese sind: Netzsicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz und Umweltverträglichkeit. Danach beurteilt, habe das Kooperationsmodell vor dem Konzept der Stadtwerke und vor der alleinigen Vergabe oder der Verpachtung der Netze an die EnBW gelegen. Erst danach platzierten sich die Energieversorgung Schönau-Schwäbisch Hall und die Bietergemeinschaft Veolia, BS Energy und LHI Leasing. Es seien durchweg „hervorragende Angebote“ abgegeben worden, der Unterschied zum Spitzenreiter sei zuletzt aber doch „deutlich“ gewesen, sagte Rechtsanwalt Matthias Albrecht von der Münchner Kanzlei Becker, Büttner, Held.
Die präferierte Konstruktion biete durch die lange Erfahrung der EnBW auch in den Aufbaujahren „ein hohes Maß an technischer und wirtschaftlicher Sicherheit“, sagte OB Kuhn. Durch den großen Einfluss der Stadt und durch das Zukunftskonzept ihrer Stadtwerke seien aber auch notwendige Innovationen gewährleistet. Gleichzeitig werde des Modell „den begrenzten finanziellen Ressourcen der Stadt“ gerecht. Grundsätzlich hat die Stadt in der Kooperation ein stärkeres Gewicht, insbesondere bei großen Investitionen aber hat die EnBW trotz ihres Minderheitsanteils ein beträchtliches Wort mitzureden.
Zur Beförderung der Energiewende ist es aus Sicht des Oberbürgermeisters wichtig, dass das Stromnetz dezentraler und intelligenter gestaltet wird, damit künftig mehr Strom von erneuerbaren Quellen lokal eingespeist und flexibler von Kunden genutzt werden kann.
Die Stadt erwartet von Anfang an eine angemessene Rendite für das Investment, über die Kuhn aber keine genauen Aussagen machte. Die Konzessionsabgabe, die die Stadt jedes Jahr erhält, werde wie bisher knapp unter 50 Millionen Euro liegen. Auch über den für die Netze angesetzten Wert machte Kuhn keine genauen Angaben. Üblicherweise würden solche Investitionen aber mit 40 Prozent Eigenkapital finanziert. Die 96 Millionen Euro entsprächen den drei Vierteln des städtischen Anteils an diesem Prozentsatz.
Harsche Kritik an der Weichenstellung übte Hannes Rockenbauch für die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke, der als Einziger in dem zuständigen Unterausschuss gegen das Kooperationsmodell gestimmt hat. Das Votum sei „nicht sachgerecht“, die Punktevergabe „an verschiedenen Stellen nicht nachvollziehbar“. Die Stadtwerke seien mit ihrem Angebot als Neuling „strukturell benachteiligt“ worden. Die angeführten Risiken hätten allenfalls in der Aufbauzeit bestanden.