Forscher suchen nach alternativen Energieflanzen für Biogasanlagen, denn der Anbau von Mais und Raps hat Nachteile für die Umwelt.

Stuttgart - Die Technik ist ausgereift, die Politik gab Anreize, die Bauern waren interessiert - und heute zählt man 7000 Biogasanlagen in Deutschland, die Strom und Wärme produzieren. Doch die anfängliche Euphorie ist inzwischen verklungen. Auf rund zwei Millionen Hektar Land stehen in Deutschland Energiepflanzen, also Mais, Raps und Weizen, aus denen Biogas, Biodiesel oder Bioethanol erzeugt werden sollen - das ist ein Fünftel der Agrarfläche. Auf einer Tagung an der Universität Hohenheim haben sich die Fachleute daher gefragt, ob die Entwicklung noch ökologisch und nachhaltig sein kann.

 

"Wir sind schon sehr stark an der Grenze des nachhaltig Machbaren", sagt die Agrarforscherin Iris Lewandowski vom Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen der Universität Hohenheim. Die großflächigen Monokulturen von Mais, Raps und Co. führten längst zu ökologischen Nachteilen. Weil die Bauern die Feldfrüchte nicht wechseln, laugen die Böden aus und auch die Artenvielfalt auf den Äckern nimmt ab.

Ein ethisches Problem kommt hinzu, denn es werden potenzielle Lebensmittel zu Biosprit und Biogas verarbeitet. Die Konkurrenz von Lebensmittelproduktion mit Energiepflanzenanbau verschiebt die globalen Märkte und beeinflusst die Natur weit über die deutschen Grenzen hinaus. Damit dem Superbenzin E10 ausreichend Ethanol beigemischt werden kann, müssen in Übersee Regenwälder den Energiepflanzen weichen.

Der Biogas-Boom soll in geordenete Bahnen gelenkt werden

Im Jahr 2007 wurden 100 Millionen Tonnen Getreide vom Lebensmittelmarkt abgezogen und für den Energiebedarf verwendet. In den USA gehe schon ein Sechstel des Getreides und ein Drittel des Mais in die Kraftstoffproduktion, berichtet Rainer Luick von der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg. Er fordert von den europäischen und nationalen Gesetzgebern "Leitplanken", um zumindest hierzulande den Boom beim Biogas in geordnete Bahnen zu lenken.

Mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vor wenigen Wochen haben Politiker dies zumindest versucht: Subventionen und Boni - für die Landwirte "eine sehr auskömmliche Vergütung" - würden angepasst, damit auch andere Pflanzen als Mais angebaut werden, erläutert Kathrin Ammermann vom Bundesamt für Naturschutz.

Dass Landwirte auf Mais setzen, macht durchaus Sinn: Die Pflanze lässt in Sachen Energiegehalt andere Gewächse wie Raps oder Getreide weit hinter sich. Das EEG führt nun einen sogenannten Maisdeckel ein: In die Biogasanlage dürfen nur bis zu 60 Prozent Mais und Getreide. Der Rest soll auf andere Pflanzen entfallen - nicht zuletzt auf Wildblumen und -gräser.

Weniger Mais für bessere Umweltverträglichkeit im Anbau

In einem Feldversuch bei Konstanz untersuchen Forscher genau das: 15 landwirtschaftliche Betriebe pflanzen auf 28 Hektar Kräutermischungen an. Diese sollen einen Teil der Maisfracht in einer Biogasanlage ersetzen. Einen ersten positiven Effekt kennt man schon: Die Wildpflanzen, darunter Kräuter, Sonnenblumen und Malven, geben einen schönen Anblick auf dem Acker und sind eine Freude für Wanderer.

Solche Wildpflanzen, schnellwachsendes, mehrjähriges Gras, Weiden und Pappeln gehören zur zweiten Generation an Energiepflanzen, denen sich Forscher derzeit zuwenden. An den energieertragsstarken Mais werden diese Pflanzen wohl nicht herankommen, sagt Lewandowski. Die Vorteile lägen vielmehr in einer besseren Umweltverträglichkeit im Anbau. Die Artenvielfalt ist auf diesen Flächen größer. Eine Bodenbearbeitung und Unkrautkontrolle ist nur im ersten Jahr nötig. Und es besteht keine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln.

Um die Konkurrenz Nahrung gegen Energie zu vermeiden, fordern die Forscher der Universität Hohenheim und die Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg in einem Positionspapier zur Bioenergie zudem, den Beitrag der Biomasse zur Gesamtenergieproduktion in Deutschland auf rund zehn Prozent zu beschränken. Derzeit liegt dieser Beitrag bereits bei rund acht Prozent.

Energiepflanzenanbau in der Wüste

Auch global gesehen hat ein internationales Forscherteam vergangenen November im Wissenschaftsmagazin "Nature" einen Vorschlag zum Entschärfen des Konflikts "Teller oder Tank" gebracht. Die besten Agrarflächen sollten der Nahrungsmittelproduktion vorbehalten bleiben, erläutert Stefan Siebert, Pflanzenbauer an der Universität Bonn. Energiepflanzen gehörten auf die B-Lagen.

Zu dieser Forderung passt die Idee von Klaus Becker vom Institut für Tierproduktion in den Tropen und Subtropen der Universität Hohenheim. Der emeritierte Professor, ein Fachmann für die tropische Energiepflanze Jatropha, hält es für technisch möglich, riesige küstennahe Wüstenflächen entlang der Ozeane zu kultivieren. "Wir können dort einen hochproduktiven Energiepflanzenanbau etablieren und damit einst unfruchtbares Land für den Klimaschutz und die landwirtschaftliche Entwicklung nutzen, ohne Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion", erklärt Becker.

Sein Kollege an der Universität Hohenheim, der Meteorologe Volker Wulfmeyer, sekundiert: "Die Bepflanzung der Wüstengebiete ändert die Energiebilanz am Boden." Die Temperatur über der Plantage sinkt, die Wolkenbildung erhöht sich, Niederschläge verstärken sich. Das hört sich an wie Zauberei und ist bisher auch nur eine Simulation im Computer. Echte Experimente am Boden sollen die Vorhersagen aber bald nachweisen.

Energie vom Acker - Zahlen und Argumente

Biomasse Der Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch in Baden-Württemberg lag 2010 bei rund elf Prozent. Unter den erneuerbaren Energieträgern fiel dabei der Hauptanteil mit rund 72 Prozent auf die Biomasse, die damit weit vor Wasserkraft, Windkraft und Fotovoltaik liegt. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass aus Biomasse Strom, Wärme und Sprit produziert werden kann.

Biogasanlagen In Deutschland waren im vergangenen Jahr rund 7000 Biogasanlagen installiert. In Baden-Württemberg waren es zur Jahresmitte genau 744 Anlagen. Die Biogaskraftwerke im Land können rund 450.000 Privathaushalte mit Strom versorgen.

Konfliktfelder Landwirte pflanzen in der Regel Mais an, um Biogasanlagen zu beliefern, denn diese Sorte verspricht hohe Erträge. Der Anbau führt zu Monokulturen, die nicht schön aussehen, außerdem nimmt die Artenvielfalt bei Flora und Fauna ab und die Böden verschlechtern sich. Die Bioenergie vom Acker steht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, weil Anbauflächen anders genutzt werden. Importe von Biokraftstoffen und Pflanzenölen führen zu Monokulturen und Abholzungen in fernen Ländern.