Tröten, trommeln, hüpfen – an Engagement für oder gegen einen schnellen Kohleausstieg haben es die Demonstranten in Berlin nicht fehlen lassen. Das Treffen der zuständigen Kommission entwickelte sich zur Marathonsitzung.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Auf dem Plakat bei der Schülerdemo in Berlin brennt der Erdball. Tausende schwänzen an diesem Freitag ihren Unterricht, um den Unterhändlern bei ihren finalen Beratungen über den Kohleausstieg Beine zu machen. Ihre eigenen Beine schonen die Jugendlichen, die unter dem Motto „FridaysForFuture“ auf die Straße gehen, auch nicht. Nicht nur, dass es nach Polizeiangaben ein paar Tausend sind, die um die Mittagszeit durchs Berliner Regierungsviertel ziehen. Im Park neben dem Wirtschaftsministerium gilt zeitweise die Devise „Wer nicht hüpft, der ist für Kohle“. Natürlich hüpfen alle mit Ausdauer auf und nieder immer wieder. Dass das auch gegen die Kälte hilft, ist ein Nebeneffekt. In der Hauptsache wollen die Demonstranten die Politik aufrütteln.

 

Um diese Zeit sitzen die 28 Kommissionsmitglieder, die nach sechseinhalb Monaten Vorarbeit an diesem Freitag einen Plan für den Kohleausstieg vorlegen sollen, schon seit Stunden am Verhandlungstisch. Es wird gemunkelt, dass die Kommission gut vorankomme, schon große Teile des Textes abgestimmt, die Hauptstreitpunkte aber noch gar nicht thematisiert habe. Morgens um acht ging es offiziell los. Greenpeace hatte zu dem Zeitpunkt schon längst ein Empfangskomitee neben dem Wirtschaftsministerium postiert. Gasflammen züngeln am Südpol einer metallenen Erdkugel herum, um Futter für die Fernsehkameras zu liefern. Die Bergbaugewerkschaft IGBCE trommelt und trötet auf der anderen Straßenseite, um dem Recht der Kohlekumpel auf einen sicheren Arbeitsplatz für möglichst lange Zeit Gehör zu verschaffen.

Keine Angst vor kalten Füßen

Es ist noch dunkel, es schneit und es hat Minusgrade. Aber die Aussicht auf eiskalte Füße schreckt niemanden ab, der vor der Verhandlungrunde noch einmal seine Position öffentlich machen will. „Ich bin angespannt wie selten, weil es um so viel geht“, sagt Kommissionsmitglied Christine Herntier beim Reingehen. Sie ist Bürgermeisterin von Spremberg und spricht für fünfzig Kommunen in der Lausitz, deren Zukunft an der Kohle hängt. Wenige Meter neben ihr erklärt BUND-Chef Hubert Weiger, dass „für uns das Ausstiegsdatum 2030 ist“ und dass Milliardenzahlungen an Konzerne nur bei konkreten Gegenleistungen im Klimaschutz zu rechtfertigen seien. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erklärt, dass die deutsche Wirtschaft „Ja zum Klimaschutz“ sagt, aber nicht zu „unvernünftigen Maßnahmen“ und „Planwirtschaft“. Auch der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kam vorbei und betont erneut, dass es niemandem nütze, irgendwelche Daten zu nennen.

Die Länder fordern neue belastbare Zusagen vom Bund

Stunden später wird bekannt, dass Woidke und seine Kollegen aus den anderen Kohleländern der Kanzlerin noch einen Brief geschrieben und auf „belastbaren Zusagen“ gedrungen haben. „Entscheidend sind verbindliche Absprachen über den Umfang und das weitere Verfahren, die auch für folgende Bundesregierungen gelten.“ Unterschrieben haben neben Woidke Armin Laschet (CDU/Nordrhein-Westfalen), Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt/CDU) und Michael Kretschmer (Sachsen/CDU). Sie sitzen in der Kohlekommission zwar nicht am Verhandlungstisch, winken aber unmissverständlich mit dem Zaunpfahl. Belastbare Regierungszusagen seien zentral dafür, dass die Kommissionsvorschläge in den Braunkohlerevieren Akzeptanz finden würden. Die Furcht, dass die Länder die Kommission mit ihrer Intervention in die Verlängerung zwingen, wächst jetzt wieder.

Vom frühen Abend an geht es in der Kommission um die größten Brocken: Wann wird was abgeschaltet, wie wird der Preisanstieg kompensiert, was passiert mit Hambach und wie lange fließt wieviel Geld in die Reviere. Ein Ergebnis liegt zu Redaktionsschluss noch nicht vor.