Das unrühmliche Gezerre ist zu Ende: Die Regierungskoalition hat sich auf eine Reform der Erbschaftsteuer verständigt. Die Wirtschaft kann damit leben, kommentiert Roland Pichler.

Berlin - Der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof hat das Ringen um ein neues Erbschaftsteuerrecht als große Ratlosigkeit beschrieben. Er hat recht. Selten zuvor waren für ein Gesetz so viele Verhandlungsrunden notwendig wie beim Entwurf zur Erbschaftsteuer. Dass die Koalitionsspitzen erst wenige Tage vor Ablauf der vom Verfassungsgericht gesetzten Frist eine Lösung präsentieren, ist kein Ruhmesblatt. Bundestag und Bundesrat werden nicht umhinkommen, die Neuregelung im Schnelldurchlauf zu beschließen. Gravierender als der Zeitverzug ist der Gesamteindruck, den das Feilschen um Einzelheiten hinterlässt: Die Koalition wirkte in der Schlussphase orientierungslos. Mal wurden Verbesserungen, mal Verschlechterungen beschlossen. Fragwürdig auch die Rolle der Länder, denen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer zustehen. Sie fielen durch sinnvolle Vorschläge kaum auf.

 

Anspruchsvolle Aufgabe für die Politik

Sicher ist, dass das Gesetz zu neuen Steuergestaltungen führen wird. Erben großer Familienunternehmen müssen künftig bei Übergabe des Betriebs nur Steuern zahlen, wenn sie über Privatvermögen verfügen. Das wird Reaktionen auslösen. Andererseits setzt die Politik damit Anreize: Wer sein ganzes Vermögen in den Betrieb steckt, zahlt künftig keine Erbschaftsteuer. Zur Ehrenrettung der Politik muss gesagt werden, dass sie schwierige Abwägungen zu treffen hatte. Sie soll die Vorgaben des Verfassungsgerichts einhalten, ohne damit die für Deutschland wichtigen Familienunternehmen vor den Kopf zu stoßen. Das kommt einer Quadratur des Kreises gleich. Wie anspruchsvoll die Aufgabe ist, zeigt sich schon daran, dass die Karlsruher Richter das Erbschaftsteuerrecht seit den neunziger Jahren bereits drei Mal korrigiert haben. In der Entscheidung von Dezember 2014 bemängelten sie, dass die Ausnahmen für Betriebsvermögen zu großzügig sind. Häufig wird übersehen, dass Karlsruhe nicht nur Privilegien für große Familienunternehmen monierte, sondern auch Vergünstigungen für Kleinbetriebe. Das Korrekturgesetz soll die Mängel beseitigen. Weil an vielen Stellschrauben gedreht wird, ist nicht auszuschließen, dass das Verfassungsgericht eines Tages wieder Einwände erheben wird.

Relativ milde Besteuerung ist richtig

Entscheidend für die Familienunternehmen und damit für den Standort Deutschland ist nicht, ob das Gesetz einen Schönheitspreis erhält. Für den deutschen Mittelstand kommt es darauf, ob er mit den Regelungen leben kann. Das ist der Fall. Die Koalition hat auf das Wesentliche geachtet. Bestätigt dies im Umkehrschluss die Kritiker, die sagen, Milliardäre würden zu stark geschont? Erstaunlich ist, wie sich der Blick der Öffentlichkeit verengt hat. Bei der letzten Reform im Jahr 2008 war noch unumstritten, dass die Änderung des Erbschaftsteuerrechts keine Arbeitsplätze gefährden darf. Dieser wichtige Aspekt wird gern übersehen, was daran liegen mag, dass in Zeiten des Aufschwungs die Sicherheit von Arbeitsplätzen selbstverständlich erscheint. Klar ist aber, dass eine hohe Steuerbelastung Folgen für die Investitionsfähigkeit von Unternehmen hätte. Das erkennt auch das Verfassungsgericht an. Dass Deutschland seine Firmenerben auch künftig vergleichsweise milde besteuert, ist richtig. Für die Familienunternehmen sind daraus Vorteile erwachsen, von denen die Beschäftigten profitieren. Gerade Familienunternehmen verfügen über hohe Kapitalpolster, um im In- und Ausland wachsen zu können. Um diese Stärke wird Deutschland beneidet. Es wäre falsch, hier die Axt anzulegen.

Die Koalition hält bei der Erbschaftsteuer folgerichtig an Privilegien für Firmenerben fest. Ein grundlegender Wechsel wäre in der kurzen Zeit auch kaum möglich gewesen, denn das einfache Niedrigsteuermodell, wie es der frühere Verfassungsrichter Kirchhof fordert, wirft gerade mit Blick auf die Betriebe viele Fragen auf.