Zum Tode von Komiker Loriot folgt Gerhard Raff den Verbindungen des Bernhard-Victor von Bülow zu Stuttgart und auf Degerlochs Höhen.

Stuttgart - Wiewohl dem mecklenburgischen Uradel (urk.1154) entstammend und 1923 im (vormals urschwäbischen) Brandenburg an der Havel geboren, hat Bernhard-Victor ("Vicco") von Bülows Biografie im (vormals altbadischen) Stuttgart so manche wichtige Weichenstellung erfahren:

 

Loriot und Stuttgart

Erstens: Viccos Vater, der Polizeimajor Johann-Albrecht von Bülow (1899-1972), wird 1938 in die Heimat seiner ersten Frau Charlotte, geborene von Roeder (1899-1929), versetzt und bezieht mit den beiden Söhnen eine Wohnung im Haus Kanonenweg (nachmals Haußmannstraße1) am Eugensplatz.

Zweitens: Die Buben besuchen das altehrwürdige Eberhard-Ludwigs-Gymnasium. Er besteht 1941 das Notabitur und ist dieser Schule und ihren Lehrern, allen voran dem späteren Rektor Rudolf Griesinger, sein langes Leben lang von Herzen dankbar. Sein in der eben erschienen Festschrift zur 325-Jahr-Feier abgedrucktes Grußwort lässt bereits den nahen Tod erahnen.

Drittens: Als Schüler verdient er sein erstes Geld als Statist an hiesiger Staatsoper und benachbartem Schauspielhaus.

Viertens: Seine erste Filmrolle, ein Page am Hofe Herzog Carl Eugens, erhält er 1940 in dem im noch nicht von Kriegsbomben und Wiederaufbau zerstörten alten Stuttgart gedrehten Film "Friedrich Schiller. Triumph eines Genies."

Fünftens: Der von der Ostfront als Oberleutnant unversehrt heimgekehrte, mittlerweile sehr erfolgreiche Zeichner und Buchautor zieht nach Ammerland am Starnberger See. Seine freundliche Nachbarin ist die gebürtige Stuttgarterin Christine Freifrau von Laßberg, Mitstifterin beim Kauf des Nibelungenlieds und Stifterin der Stauferstele von Meersburg.

Sechstens: Der 1927 in Hamburg geborene, jetzt im Sillenbucher Augustinum lebende nachmalige Fernsehdirektor in Bremen und Baden-Baden Dieter Ertel vom innovationsfreudigen Süddeutschen Rundfunk entdeckt Loriot für das Fernsehen. 1967 bis 1972 entsteht die sauglatte und hochintelligente Fernsehserie "Cartoon" - und als das Filbingerregiment das Ludwigsburger Schloss als Drehort verweigert, bittet der königwilhelmstreue Thaddäus Troll den Herzog Philipp Albrecht von Württemberg mit Erfolg um dessen Schloss Monrepos. Ertel geht 1974 nach Bremen, nimmt Loriot mit und lässt ihn dort jene genialen, viele Generationen beglückenden Kabinettsstücke schaffen.

Siebtens: Anno 1986 kehrt Loriot vorübergehend nach Stuttgart zurück und inszeniert die Oper "Martha" und zwei Jahre drauf den "Freischütz" bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen.

Loriot und Degerloch

Erstens: Der Autor des Bestsellers "Herr, schmeiß Hirn ra!" (1985) verfasst ein von dem Typografenpapst Professor Hansjörg Stulle (wunderschön & omesonst) gestaltetes "Programm der Feierlichkeiten aus Anlaß der Vollendung des 66,6.Lebensjahres von Herrn Bernhard-Victor von Bülow - vulgo Vicco, alias Loriot- am 13.Juli 1990"- welch selbiges vom Jubilar als "kongenial" empfunden wird.

Zweitens: 1995 erscheint bei der (damals noch in Stuttgart ansässigen) Deutschen Verlags-Anstalt der von Loriot illustrierte Nachfolgebestseller "Mehr Hirn!". Dieses Buch samt den dazugehörigen Benefizveranstaltungen hat der von ihm initiierten Rettungsaktion für den einsturzgefährdeten Dom in seiner Vaterstadt Brandenburg laut Schatzmeister Otto Graf Lambsdorff "über 1,25 Millionen DM" und dem Verf. ein (nadierlich sofort weiterverschenktes) Bundesverdienstkreuz eingebracht.

Drittens: Zu Weihnachten 1996 schreibt Loriot nach Degerloch: "Lieber, verehrter Herr Dr. Raff, dieses Jahr darf nicht zu Ende gehen, ohne daß ich Ihnen noch einmal von Herzen gedankt habe. Nicht zuletzt durch Ihre Hilfe war es möglich, das Geld zusammenzubekommen, um den Brandenburger Dom fürs Erste abzusichern. Ich muß Ihnen an dieser Stelle auch sagen, daß ich keinen Menschen kenne, der wie Sie sein Können und seine Mittel so bedingungslos dort einsetzt, wo Hilfe gebraucht wird. Das ist eine Eigenschaft, die heute selten geworden, auf die aber unser öffentliches Leben mehr denn je angewiesen ist." Und dabei hatte Loriot doch einen so großen Bekanntenkreis...

Viertens: Anno 2003 will der Verfasser dem "vielleicht bedeutendsten deutschen Denker im Europa des 20.Jahrhunderts" zum 80.Geburtstag eine Gedenktafel am Haus am Eugensplatz stiften - wie dies für Richard von Weizsäcker an dessen Geburtshaus am Neuen Schloss 2000 geschehen war. Der bescheidene Jubilar mochte aber diese Ehrenbezeugung "erst nach m(s)einem Ableben" verwirklicht sehen.

Fünftens: Einen besonders schönen Gruß zu seinem "Senilitätsgedenktag" erhält der Verfasser anno 2006 aus Ammerland: Ein von Degerloch träumendes Loriot-Männchen mit dem dann tatsächlich in Erfüllung gegangenen Wunsch: "...von Degerloch, er lebe lang und dreimal hoch!"

Sechstens: Sub clausula Jacobäa wird zum 90.Geburtstag am 12.November 2013 die Gedenktafel mit dem nachfolgenden, noch provisorischen Text unter dem Bülow-Wappen feierlich enthüllt werden:

IM VIERTEN STOCK DIESES HAUSES LEBTE VON 1938 BIS 1941 BERNHARD VICTOR VON BÜLOW GENANNT LORIOT 1923-2011 ALS SCHÜLER DES EBERHARD-LUDWIGS-GYMNASIUMS MIT SEINEM VATER JOHANN ALBRECHT VON BÜLOW 1899-1972 UND SEINEM NOCH IN DEN LETZTEN KRIEGSTAGEN BEI GORGAST IM ODERBRUCH GEFALLENEN BRUDER JOHANN ALBRECHT SIGISMUND VON BÜLOW 1924-1945

Siebtens: Lieber Loriot, auf Wiedersehen!