Erstunterbringung von Geflüchteten Die Landkreise und die Region hoffen auf Entspannung

Im ehemaligen Pflegeheim Stuttgart-Schönberg werden demnächst Flüchtlinge einziehen Foto: wm-foto@t-online.de/Wilhelm Mierendorf

Momentan hat der Zustrom von Geflüchteten in die Region ein wenig nachgelassen. Doch alle Landkreise rechnen damit, dass die Zahlen wieder ansteigen. Wir geben einen Überblick über die aktuelle Situation – die wohl nur eine Verschnaufpause ist.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Zuletzt ist die Situation der Landkreise in der Region Stuttgart, die sich um die Erstunterbringung von Flüchtlingen kümmern müssen, ein wenig aus dem Fokus der Öffentlichkeit geraten. Eine Umfrage in der Region und in Stuttgart zeigt, dass sich die Lage ein wenig entspannt hat. Doch mehr als eine Verschnaufpause ist das wohl nicht. Wir haben nachgefragt, wie sich die Verantwortlichen auf den Herbst vorbereiten.

 

Stuttgart – Hoffen auf Modulbaustandorte „Die Zuweisungsquoten sind aktuell etwas geringer als unsere Schätzungen“, erklärt Stadtsprecher Sven Matis. Die Zeit nutze man, um fortwährend neue Standorte im gesamten Stadtgebiet zu entwickeln. Beispielhaft nennt Matis die neuen Modulbaustandorte. Die ersten von ihnen werden in wenigen Wochen in der Amstetter Straße und in den Entenäckern fertiggestellt. Im Lauf des Jahres sollen weitere folgen. Diese neuen Standorte verschaffen der Stadt ein wenig Luft und tragen dazu bei, eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten. Stuttgarts Ratschef Frank Nopper betont zudem: „Wir setzen weiterhin alles daran, die Belegung von Sporthallen zu vermeiden.“

Böblingen – Sorgen in Kommunen Um die Nutzung von Sporthallen ist der Landkreis Böblingen nicht herumgekommen. Aber in der Tat prüfe man angesichts der Halbierung der Zuweisungszahlen gegenüber dem Herbst, ob man solche Notunterkünfte abbauen könne. Aktuell werden im Kreis mehrere Objekte für die Unterbringung von Flüchtlingen vorbereitet, etwa ein ehemaliges Hotel in Sindelfingen und das Haus am Parksee in Leonberg. Die Kreisverwaltung geht davon aus, dass selbst bei wieder leicht ansteigenden Fallzahlen die Erstaufnahme zumindest bis Mitte des Jahres gesichert ist. Anders sei die Situation in den Städten und Gemeinden, die sich um die Anschlussunterbringung kümmern müssen. Die Integration der Neuankömmlinge sei nach wie vor eine Herkulesaufgabe. Der Böblinger Landrat Roland Bernhard fordert deshalb „auf allen politischen Ebenen weiter kraftvolle Anstrengungen, beschlossene Maßnahmen umzusetzen.“ Bernhard: „Ich begrüße ausdrücklich das vom EU-Parlament verabschiedete schärfere Asylgesetz mit schnellen Verfahren an den Außengrenzen und einem Solidaritätsmechanismus der Mitgliedsstaaten.“

Göppingen – Lage bleibt angespannt Auch Bernhards Göppinger Kollege Edgar Wolff hofft auf eine schnelle Umsetzung der Beschlüsse der Bund-Länder-Gespräche und des EU-Parlaments. „Im Flüchtlingsbereich steht der Kreis Göppingen weiterhin vor sehr großen Herausforderungen,“ erklärt der Landrat. Angesichts des Zustroms gerate man immer mehr in eine Situation, in der die Aufgabenerfüllung nicht mehr gewährleistet werden könne. Derzeit gehe es darum, längerfristig nutzbare Unterbringungskapazitäten zu schaffen, um perspektivisch ungeeignete Standorte, etwa Fabrikhallen, auflösen zu können. Seit 2021 hat der Kreis die Zahl der Unterkünfte verdreifacht.

Ludwigsburg – Neue Unterkünfte geplant Die Gemeinschaftsunterkünfte in Eberdingen und Erdmannhausen mit jeweils 100 Plätzen stehen kurz vor der Fertigstellung, weitere Standorte, etwa in Korntal-Münchingen, sind in Planung. „So versuchen wir gerüstet zu sein für möglicherweise wieder steigende Zuweisungszahlen“, sagt Sprecher Andreas Fritz. Allerdings verbindet auch sein Chef, Landrat Dietmar Allgaier mit dem EU-Kompromiss die Hoffnung, „dass die Landkreise und Kommunen künftig weniger Geflüchtete aufnehmen müssen und sich die Unterbringungssituation entspannt.“

Esslingen – Verlässliche Prognosen? Von einer angespannten Lage berichtet die Esslinger Kreissprecherin Andrea Wangner. Allein im vorigen Jahr hat der Kreis 2200 Geflüchtete aufnehmen müssen. Nicht mitgezählt sind dabei die Menschen aus der Ukraine. Ende Februar wurden 2750 nicht-ukrainische Flüchtlinge in der vorläufigen Unterkunft versorgt. Seit Dezember geht zwar auch in Esslingen die Zahl der Neuankömmlinge zurück. Es fehlten, sagt Wangner, aber verlässliche Prognosen von Bund und Land, die als planerische Grundlage dienen könnten. 430 neue Plätze entstehen gerade in Containerform in Köngen und Nürtingen und mit Hilfe einer Zelterweiterung in Hochdorf.

Rems-Murr – Vorerst keine Zelte Momentan ist die Situation im Rems-Murr-Kreis ruhig. Aktuell werden 60 Geflüchtete aus den Zelten am Backnanger Berufsschulzentrum in eine neue Unterkunft in einem ehemaligen Gewerbeobjekt verlegt. Damit kann der Kreis zunächst auf Zeltunterkünfte verzichten. Der Rems-Murr-Kreis profitiert dabei davon, dass man aktuell weniger Ukrainer vom Bund zugewiesen bekommt, weil die anderen Bundesländer zunächst ihren Rückstand ausgleichen müssen. Da dies aber in Kürze der Fall sein wird, rechnet die Kreisverwaltung zumindest bei Geflüchteten aus der Ukraine mit einem zeitnahen Anstieg der Zuweisungszahlen. Das gilt auch für Asylbewerber. Deren Zufluss ist traditionell im Winter am geringsten. Auch hier rechnet der Kreis bald wieder mit höheren Zuweisungen.

Zahlen aus der Region

Stuttgart
Im Februar hat die Stadt 313 Personen neu in Unterkünften aufgenommen, 252 sind ausgezogen. Derzeit leben im Stuttgarter Stadtgebiet noch mehr als 3000 Menschen in Notunterkünften.

Esslingen
Seit Kriegsbeginn sind mehr als 9000 Flüchtlinge aus der Ukraine in den Landkreis gekommen. Aktuell befinden sich rund 250 Ukraine-Flüchtlinge in der vorläufigen Unterbringung im Nürtinger Hauber-Areal.

Ludwigsburg
Die Zahlen sind momentan niedrig. Pro Monat muss der Landkreis Ludwigsburg rund 80 Personen, darunter 20 Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen. Im Rems-Murr-Kreis waren es einen Monat später 46 Asylbewerber und 44 Menschen aus der Ukraine.

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