Sollen Fahnder künftig mehr Merkmale aus dem Erbgut herauslesen dürfen? Diese Forderung wurde mit Blick auf den Fall der ermordeten Maria erhoben. Dies sei ein schwerer Eingriff, mahnt nun die Bundesdatenschutzbeauftragte.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

STUTTGART - Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) hält eine Ausweitung der DNA-Analyse nach Kapitalverbrechen nur unter strengen Voraussetzungen für möglich. Es stelle einen „intensiven Grundrechtseingriff“ dar, wenn aus dem Erbgut mehr Merkmale als bisher herausgelesen würden, sagte Voßhoff unserer Zeitung. Dieser bedürfe „einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage“.

 

Der Gesetzgeber könne den bisherigen Rahmen der Strafprozessordnung anpassen, nach der nur die Bestimmung von Identität und Geschlecht zulässig sind. Dabei müssten insbesondere „Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit“ einer Neuregelung gewährleistet sein, betonte Voßhoff. Es sei eine „angemessene Abwägung“ vorzunehmen zwischen den berechtigten Interesse der Strafverfolgung „und dem Schutz einer Vielzahl von Personen, die bestimmte Merkmale aufweisen, aber durch ihr Verhalten keinerlei Anlass für Strafverfolgungsmaßnahmen gegeben haben“. Zu einzelnen Merkmalen, die künftig anhand der DNA ermittelt werden könnten, äußerte sich die oberste Datenschützerin nicht. Technisch möglich ist es inzwischen, die Farben von Augen, Haaren und Haut mit hoher Trefferquote zu bestimmen; auch die Herkunft lässt sich zumindest grob eingrenzen.

„Nicht die ganze Bevölkerung betroffen“

Der amtierende baden-württembergische Datenschutzbeauftragte, Volker Broo, hatte sich zuvor etwas positiver zu einer erweiterten DNA-Analyse geäußert. Es spreche manches dafür, dass sich diese „noch im Rahmen des verfassungsmäßig Zulässigen halten dürfte“, sagte er unserer Zeitung; entscheidend sei, wie die Regeln in der Praxis angewendet würden. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sei zu fragen, welche Interessen wie schwer wögen und wie sie in Einklang zu bringen seien, sagte Broo. Das Bundesverfassungsgericht habe mehrfach betont, „dass der Verfolgung und Aufklärung von Straftaten nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zukommt“. Dieses staatliche Interesse könne „ein erhebliches, in Einzelfällen auch überragendes Gewicht“ haben. Bei der Prüfung der Angemessenheit sei zudem zu berücksichtigen, dass die Normen der Strafprozessordnung nicht „mit großer Streubreite gleichsam die gesamte Bevölkerung betreffen“. In einem Urteil aus dem Jahr 2000 zum „genetischen Fingerabdruck“ habe Karlsruhe betont, dass der „absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeit“ nicht betroffen sei, so lange nur der sogenannte nicht kodierende Teil der DNA untersucht werde. Ob eine erweiterte DNA-Analyse einer effektiveren Aufklärung diene, sei „gegebenfalls zu belegen“, sagte der Datenschützer.

Heiko Maas offen für Reform

Im Fall der ermordeten Freiburger Studenten, der Auslöser für einen Vorstoß von Justizminister Guido Wolf (CDU) war, hatte die Landtags-SPD dies bezweifelt: Dort hätte eine Auswertung der DNA-Analyse „nicht weitergeholfen“, meinte sie. Laut dem Freiburger Polizeipräsidenten Bernhard Rotzinger hätte dies hingegen massiv geholfen. „Wir hätten wesentlich konzentrierter die Ermittlungen vorantreiben können“, sagte er der „Badischen Zeitung“. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) scheint für eine Reform ebenfalls offener zu sein als seine Stuttgarter Parteifreunde. Es sei sinnvoll, das Thema - wie von Wolf angekündigt – bei der nächsten Justizministerkonferenz zu diskutieren. In einem Referentenentwurf seines Hauses werde bereits eine Ausweitung der Analysen vorgeschlagen.

Appell von zwei CDU-Polizeiexperten

Mit einem eindringlichen Appell für mehr Rechte bei der DNA-Analyse haben sich zwei CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Land, die beide gelernte Polizeibeamte sind, an Innenminister Thomas de Maiziere gewandt. Angesichts der Freiburger Fälle sei eine Änderung der nicht mehr zeitgemäßen Gesetzeslage „dringend erforderlich“, schreiben Clemens Binninger und Armin Schuster. Wenn den Ermittlern bei der Erbgut-Analyse weiterhin „teilweise rechtlich die Hände gebunden sind“, werde das ohnehin beeinträchtigte Sicherheitsgefühl der Bürger weiter leiden.

Binninger und Schuster plädieren dafür, dass die DNA künftig auch auf Alter, Herkunft Haarfarbe und Augenfarbe untersucht werden dürfe. Schon bald lasse sich vielleicht auch die Gesichtsform bestimmen. Damit werde Tätern „ein Gesicht gegeben“ wie bisher etwa durch Phantombilder – nur wesentlich präziser. Die DNA könne ein „ ,biologischer Augenzeuge‘ von hoher Qualität“ sein. Dies habe nichts mit „racial profiling“, also einer Fahndung nach Rassenmerkmalen, zu tun. „Eine Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen ist damit nicht verbunden“, betonen die Abgeordneten.